Vernichtungslager

Sobibór ist ein kleines Dorf in der Nähe des Bugs, dem heutigen Grenzfluss zwischen Polen, der Ukraine und Weißrussland. Nur wenige Kilometer entfernt liegt die Bahnstation Sobibór an der Bahnlinie zwischen Chełm und Włodawa. Abgelegen in einem sumpfigen und waldreichen Gebiet, befand sich hier bis ins Jahr 1941 nur eine kleine Förstereisiedlung.

Aufbau

Karte Vernichtungslager

Laut einem Bahnarbeiter des kleinen Bahnhofs, wurden im Spätherbst 1941 die ersten Aktivitäten der deutschen Besatzer beobachtet, die sich mehrmals im Wald gegenüber des Bahnhofes aufhielten und Messungen durchführten. Anfang Februar 1942 begannen die Bauarbeiten für ein zweites Vernichtungslager, das im Rahmen der `Aktion Reinhard´ im Generalgouvernement, zur Vernichtung der jüdischen Bevölkerung in Betrieb genommen wurde. Schon seit Mitte März 1942 wurden in Bełżec die ersten jüdischen Menschen in den Gaskammern ermordet, Treblinka folgte wenige Monate später im Juli 1942.

Die Leitung zum Bau des Lagers Sobibór hatte Richard Thomalla. Seit November 1941 leitete er die Zentralbauleitung der SS in Zamość. Die deutsche Zivilverwaltung des Kreises Chełm stellte für den Bau Pfähle, Ziegel, Barackenteile und Stacheldraht zur Verfügung. Für weiteres Baumaterial wurden jüdische Häuser in der Umgebung abgerissen.
Ein Arbeitskommando aus polnischen und jüdischen Arbeitern musste sich am Bau des Lagers beteiligen. Die Bauern aus der Umgebung mussten mit ihren Fuhrwerken das Material nach Sobibór transportieren. Ein jüdische Arbeitskommando, dass aus ca. 80 – 120 jüdischen Häftlingen bestand, wurde mit Häftlingen aus den Arbeitslagern in der Umgebung und dem Ghetto in Włodawa zusammengestellt. Einige wenige Gebäude aus dem hier existierenden Förstereibetrieb wurden in das Lager integriert. So wurde aus dem Postgebäude am Bahnhof die Villa des Kommandanten und aus dem Forsthaus ein Verwaltungsgebäude im späteren Lager 2. Auch die kleine katholische Kapelle am Wegesrand, wurde in die Umzäunung des Lagers mit eingeschlossen.

Das Lagergelände war ca. 600 Meter lang und 400 Metern breit. Ein ca. drei Meter hoher, mit Zweigen durchflochtener, doppelter Stacheldrahtzaun sollte den Blick ins Lagerinnere verhindern und jede Flucht unmöglich machen. An den Außengrenzen standen mehrere Wachtürme um das Lager bewachen zu können. Am Eingang des Lagers prangte ein Schild mit der Aufschrift „SS-Sonderkommando“.

In den ersten Wochen nach Inbetriebnahme des Lagers, gab es nur wenige Gebäude im Lagerinneren. Erst nach und nach wurden immer weitere Baracken gebaut um Unterkünfte und Arbeits- und Lagerungsstätten zu errichten.
Das Lagerinnere war in drei, ab Sommer 1943 in vier Teile unterteilt. Das sogenannte Vorlager war die Verwaltungszone des Lagers. Hier befanden sich ebenfalls die Unterkünfte für die Deutschen sowie für die Trawniki-Männer. Ein neu errichtetes Nebengleis der Hauptlinie endete hier an der Rampe, das Gleis war ca. 110 Meter lang und so konnten immer nur 10 Wagons gleichzeitig auf der Rampe stehen. Anfang Juni wurde mit dem Bau einer kleinen Lorenbahn begonnen. Diese verband später die Rampe mit Lager 2 und 3, um aus Sicht der Nationalsozialisten den Ablauf der Vernichtung zu beschleunigen. Die kleine Kapelle diente den SS-Männern in den ersten Wochen als Erschießungsstätte, für ankommende Opfer, die nicht in der Lage waren zu Fuß zu gehen.

Abgetrennt durch Zäune schloss sich westlich des Vorlagers das Lager 1 an, das von Karl Frenzel geleitet wurde. Hier befanden sich die Wohnquartiere für die jüdischen Häftlinge. Des weiteren gab es einige Werkstätten, in denen Schuster, Schneider, Zimmerleute oder Mechaniker arbeiteten. Teilweise dienten die Werkstätten auch als Unterkünfte für die hier beschäftigten Häftlinge. Unter Franz Stangl gab es bis September 1942 einen Goldschmied, der für die Wachmannschaften Schmuck und Verzierungen herstellte.
Lager 2 war der „Aufnahmebereich“ des Lagers. Auf einem teilüberdachten Platz mussten sich die Opfer entkleiden, nachdem sie ihr Gepäck abgegeben hatten. Mehrere Sortierbaracken befanden sich ebenfalls in Lager 2.

Ab dem Sommer 1942 baute man zusätzliche Magazine zur Lagerung der geraubten Gegenstände der Opfer und eine kleine Landwirtschaft mit Pferde-, Kuh-, Hühner- und später auch Kaninchenställen entstand. Von Lager 2 zu Lager 3 führte ein etwa 150 m langer und 3-4 m breiter Pfad, der von beiden Seiten mit Stacheldraht umzäunt und mit Zweigen durchflochten war, um jede Einsicht zu verwehren. Am Ende dieses sogenannten „Schlauchs“ befand sich das Lager 3. Durch den Pfad wurden die Opfer nackt zu den Gaskammern in Lager 3 getrieben. Vorher wurde den Frauen ab 1943, in einer dafür neu errichteten Baracke am Ende des `Schlauchs´, die Haare abgeschnitten.
Die Gaskammern befanden sich in einem Backsteingebäude, das im Sommer 1942 in seiner Größe erweitert wurde.
(Die einzelnen Kammern waren wahrscheinlich quadratisch, ca. 16 qm² groß. Im Spätsommer 2014 fanden Archäologen die Reste der Gaskammern. Die offiziellen Ergebnisse der Untersuchungen des Gebäudes sind noch nicht bekannt.)
Ein 200 PS starker Motor, der das tödliche Kohlenmonoxid erzeugte, stand in einem angebauten Schuppen und wurde aus Lemberg (heute Lviv) nach Sobibór gebracht. In den Kammern befanden sich Brause-Attrappen, um die Opfer bis zuletzt im Glauben zu lassen, dass sie duschen würden. Jede Kammer hatte einen zweiten Ausgang, durch die man die Leichen der Opfer nach der Vergasung herausbringen konnte. Eine kleine Lorenbahn verband die Gaskammern (später auch die Rampe) mit den riesigen Leichengruben. Dort wurden die Leichen anfangs in großen Gruben verscharrt, ab Spätherbst 1942 auf großen Scheiterhaufen verbrannt.
Immer wieder wurden `Verschönerungsarbeiten´ im Lager durchgeführt, um die Täuschung der Opfer zu perfektionieren und das Leben der SS Wachmannschaften im Lager angenehmer zu machen.
Ab Sommer 1943 begann man mit dem Ausbau von Lager 4 im nordöstlichen Bereich des Lagers. Auf Befehl Heinrich Himmlers sollte im Lager Beutemunition für die Wehrmacht gelagert und aufbereitet werden, dazu wurden mehrere bunkerähnliche Gebäude errichtet.

Täter

Franz Stangl

In der zweiten Aprilhälfte 1942 kamen SS-Obersturmführer Franz Stangl und 19 weitere Männer nach Sobibór. Fast alle diese Männer waren an den Morden im Rahmen des von den Nationalsozialisten sogenannten Euthanasie-Programms (Aktion T4) beteiligt. Ca. 30 deutsche SS-Männer befanden sich immer gleichzeitig im Lager, etwa 50 waren es im gesamten Zeitraum des Bestehens des Lagers. Franz Stangl wurde erster Kommandant in Sobibór, er arbeitete zuvor als Verwaltungs- und Büroleiter in den T4- Mordanstalten Hartheim und Bernburg. Christian Wirth, der spätere Inspektor aller 3 Vernichtungslager wurde, lies Franz Stangl im April 1942 nach Bełżec kommen, er wollte ihm zeigen für was das Lager Sobibór, das er leiten sollte, vorgesehen war. In einem Interview das Gitta Sereny mit Franz Stangl 1971 in seiner Haft führte beschrieb er dies folgendermaßen; „Ich fuhr mit dem Auto hin. Als man dort ankam … der Gestank … Mein Gott, der Gestank … die Gruben … voll … sie waren voll. Ich kann´s Ihnen nicht sagen: nicht hunderte, tausende, tausende von Leichen … mein Gott. Dort hat´s Wirth mir gesagt – er sagte, dass das war, wofür Sobibór bestimmt war“.

Das deutsche Personal hatte in erster Linie Befehls- und Verwaltungspositionen im Lager inne. Ihnen unterstanden ständig 90-120 sogenannte Trawniki-Männer als Wach und Sicherheitspersonal im Lager. Als Trawniki-Männer bezeichnete man meist russische Kriegsgefangene, zumeist Volksdeutsche und Ukrainer, die in Kriegsgefangenenlagern, wie Brest-Litowsk und Chełm, ausgesucht wurden und eine militärische Ausbildung im SS-Ausbildungslager Trawniki erhielten. Diese Männer wurden zum größten Teil für Einsätze im Zusammenhang mit der Ermordung der jüdischen Bevölkerung, zumeist im Generalgouvernement eingesetzt.
Im September 1942 verließ Franz Stangl Sobibór, da er als Kommandant nach Treblinka abkommandiert wurde. Sein Nachfolger wurde bis zur Auflösung des Lagers Ende Oktober 1943 Franz Reichleitner.

Die Ermordung der jüdischen Opfer

Im April 1942 wurden die ersten jüdischen Menschen in den Gaskammern von Sobibór ermordet. Die deutschen Täter wollten dabei die Funktionsfähigkeit der Gaskammern ausprobieren. Am 3. Mai 1942 wurden etwa 2.000 Juden aus dem Kreis Zamość nach Sobibór verschleppt und dort sofort ermordet. Der Mordbetrieb in Sobibór hatte somit begonnen. Bis zum 12. Mai 1942 waren bereits über 20.000 Juden ermordet morden.

Die Rampe

Wenn die Menschen an der Rampe im Lager nach meist tagelangen Fahrten in den Viehwaggons ankamen, wurden sie sofort unter Gewalt und Geschrei aus den Waggons getrieben. Nach tagelanger Enge und Dunkelheit in den Zügen, sollte alles zügig von statten gehen, so dass den Opfern nicht die Zeit blieb zu überlegen, was mit ihnen passieren würde. Bei der Ankunft mussten die Menschen ihr schweres Gepäck an der Rampe zurücklassen. Männer und Frauen wurden getrennt. Die SS versuchte, ihre Opfer zu täuschen, ein SS-Mann, zu Beginn war dies Hermann Michel, hielt hier seine Ansprache, bei der er den Opfern vorgaukelte, sie wären in einem Umsiedlungslager und müssten duschen um anschließend in andere Lager zur Arbeit geschickt zu werden. Alle mussten sich auf dem Entkleidungsplatz in Lager 2 entkleiden und ihre Wertgegenstände an einem Schalter abgeben. Die Papiere und Fotos der Opfer wurden direkt in einem Ofen hinter den Sortierbaracken verbrannt. Unter ständigen Kommandos und Schlägen wurden die Opfer nackt weitergetrieben, durch den Schlauch, zum Gebäude der Gaskammern. Die Menschen standen unter Schock, konnten nicht realisieren was geschah. In den Gaskammern standen sie dichtgedrängt, in einem überfüllten Raum, die Türen wurden geschlossen und einer der Wachmänner betätigte den Dieselmotor, durch dessen Abgase die Menschen innerhalb von 20-30 Minuten erstickten.
Ein jüdischen Arbeitskommando aus 200 – 300 Menschen musste die toten Menschen aus den Kammern holen und zu den Leichengruben bringen. Vorher wurden den Toten die Goldzähne entfernt, auch daraus wollte die SS Profit schlagen.
Die ganze `Prozedur´ dauerte 2-3 Stunden, von der Ankunft der Menschen, bis zum Vergraben der Opfer. Währenddessen musste das Bahnhofskommando die Eisenbahnwaggons säubern und kleine Reparaturen durchführen. Die Waggons wurden aus dem Lager rangiert und die nächsten 10 Wagen mit Opfern fuhren ins Lager ein.

Bahnpersonal vor dem Bahnhofsgebäude; Quelle Landesarchiv Münster

 

Leben als Häftling im Lager

Aus den ersten Transporten im Mai 1942 wurde mehrere Häftlinge ausgesondert, die im Lager in verschiedenen Kommandos arbeiten mussten. Die Anzahl der Häftlinge, die gleichzeitig im Lager waren, umfasste teilweise bis zu 1000 jüdischen Menschen, die für die im Lager anfallenden Arbeiten eingesetzt wurden. Im Bahnhofskommando arbeiteten einige Dutzend Häftlinge an der Rampe, die dafür zu sorgen hatten, dass das „Entladen“ der Menschen reibungslos ablief. Sie halfen den Menschen beim Aussteigen und mussten anschließend die Rampe und die Waggons reinigen. Ein größeres Kommando arbeitete in den Sortierbaracken, in denen der zurückgelassene Besitz der Opfer sortiert und für die Weiterverwendung vorbereitet wurde. Einige Männer arbeiteten im sogenannten Waldkommando, sie mussten Holz heranschaffen, das für den Ausbau des Lagers und zum Verbrennen der Leichen benötigt wurde.
Ein Arbeitskommando aus 300 Häftlingen wurde in Lager 3 dazu gezwungen, die Ermordeten aus den Gaskammern zu den Massengräbern zu bringen und die Gaskammern zu säubern. Auch das Verbrennen der Leichen ab Spätherbst 1942 musste durch ein jüdisches Arbeitskommando durchgeführt werden. Den Häftlingen in Lager 3 war jeder Kontakt zu den Häftlingen in anderen Lagerbereichen strengstens verboten.
Das Lagerleben war strengsten Regeln unterworfen. Die Häftlinge kämpften täglich ums Überleben. Die Nahrungsmittelrationen waren sehr gering, für die zum Teil schwer arbeitenden Menschen. Jedes Vergehen in Augen der SS wurde mit schwerer Prügelstrafe oder dem Tod bestraft. Immer wieder dachten sich die Wachmannschaften sadistische „Spiele“ aus, um die Häftlinge zu quälen. Verletzte, Kranke und nicht mehr arbeitsfähige Häftlinge wurden selektiert und durch neu angekommene Häftlinge ersetzt.

Opferzahlen

In der ersten Phase des Massenmordes in Sobibór – von Anfang Mai bis Ende Juni 1942 – wurden etwa 80.000 -100.000 jüdische Menschen umgebracht. Sie kamen hauptsächlich aus den Ghettos des Distrikts Lublin (mind. 53.000 – 75.000 Menschen), dem Protektorat Böhmen und Mähren (Tschechien, ca. 6.600 Menschen), der Slowakei (24.000 Menschen) und dem Deutschen Reich (Österreich und Deutschland, ca. 7.500 Menschen). Die meisten der jüdischen Menschen die nicht aus dem Generalgouvernement kamen, waren schon Monate vorher in Ghettos im Distrikt Lublin `umgesiedelt´wurden.
Zwischen Juli und Oktober 1942 war die Bahnstrecke zwischen Chelm und Wlodawa aufgrund des sumpfigen Bodens nicht befahrbar. Aufgrund der Bauarbeiten auf dieser Strecke, konnten in diesem Zeitraum keine Juden mit dem Zug nach Sobibór verschleppt werden.
Während der Instandsetzung der Gleise nutze die SS die Zeit für Umbau- und „Verschönerungsarbeiten“ im Lager. Mehrere neue Gebäude wurden errichtet, die zur Verbesserung der Arbeitsstrukturen dienen sollte.
Nachdem die Reparaturarbeiten an den Gleisanlagen beendet waren, kamen ab Anfang Oktober 1942 wieder größere Todeszüge im Lager an.
Nach einem Besuch Heinrich Himmlers im Februar 1943 folgten ab März vier Todeszüge aus dem Sammellager Drancy (im besetzten Teil Frankreichs, ca. 4.000 Menschen), 19 Todeszüge aus dem Lager Westerbork (in den besetzten Niederlanden, ca. 34.000 Menschen) sowie Todeszüge aus den Reichskommissariaten Weißrussland (ca. 4.000 – 5.000 Menschen) und Litauen (4.300-5.000 Menschen). Kleinere Transporte aus dem Distrikt Lublin und mehrere größere aus dem Distrikt Galizien (ca. 13.000-15.400 Menschen) erfolgten ebenfalls in der Zeit bis Oktober 1943.
Von Mai 1942 bis Oktober 1943 wurden mindestens 170.000 Juden in Sobibór ermordet.

Widerstand

Trotz der aussichtslosen Lage der Häftlinge kam es immer wieder zu Widerstandshandlungen und Fluchten.
Am 30. Juni 1943 kam ein Transport mit 300 jüdischen Häftlingen aus dem Mordlager Bełżec in Sobibór an. Diese Häftlinge hatten ein halbes Jahr lang die Spuren des Mordlagers verwischen müssen, indem sie die Leichen der dort ermordeten Menschen verbrennen mussten. Man versprach den Häftlingen, dass man sie zum Arbeiten nach Deutschland bringen würde. Die Häftlinge des Sonderkommandos von Bełżec glaubten der SS nicht und versteckten schriftliche Nachrichten in ihrer Kleidung. Als die Männer auf der Rampe des Mordlagers Sobibor aussteigen sollten, wurde ihnen bewusst, daß sie getäuscht wurden. Sie leisteten an der Rampe Widerstand und wehrten sich gegen die SS-Männer, die sie direkt an Ort und Stelle erschossen haben. Beim Sortieren der Kleidung fanden die Häftlinge von Sobibór die Nachrichten auf denen zu lesen gewesen war: „Wir kommen aus Bełżec, wo wir ein Jahr arbeiten mussten. Es hieß, sie würden uns nach Deutschland bringen. In den Waggons gibt es Tische. Wir haben für 3 Tage Brot, Konserven und Wodka bekommen. Wenn das eine Lüge ist, solltet ihr wissen, dass auch ihr sterben werdet. Traut den Deutschen nicht, nehmt Rache.“ Das zeigte den Arbeitshäftlingen in Sobibór deutlich, was ihnen bevorstand.

Im Juli 1943 gelang 8 Häftlingen des Waldkommandos die Flucht. Als Vergeltung ließen die SS-Männer  jedoch mindestens 10 Häftlinge vor den Augen der anderen hinrichten.
Aus Angst vor Partisanenangriffen und weiteren Ausbrüchen wurde im Sommer 1943 einen Minengürtel um das Lager verlegt.

Leon Feldhendler

In dieser Zeit entstand auch die Widerstandsgruppe unter der Leitung von Leon Feldhendler. Dieser war vor seinem Transport im Frühjahr 1943 nach Sobibór, Vorsitzender des Judenrates in Żółkiewka gewesen, einer kleiner Gemeinde im Distrikt Lublin.

Alexander (Sascha) Petscherski

In der Zusammenarbeit mit Alexander (Sascha) Petscherski, einem jüdischen Offizier der Roten Armee, der am 23. September mit weiteren jüdischen russischen Kriegsgefangenen aus einem Arbeitslager in Minsk nach Sobibór gebracht worden war, wurden die Pläne für einen Aufstand konkreter. Nur ein kleiner Teil der Häftlinge war in die Pläne eingeweiht, da man verhindern wollte, dass die Wachmannschaften etwas von den Plänen mitbekamen. Schon vorher waren Fluchtversuche verraten worden.

Für eine erfolgreiche Durchführung des Aufstandes war es wichtig, dass einige der SS-Wachmannschaften zum Zeitpunkt der Revolte nicht vor Ort waren. Mit Franz Reichsleitner, Hubert Gomerski und vor allem Gustav Wagner befanden sich einige der grausamsten SS-Männer am 14. Oktober 1943 nicht im Lager. Nach einem detaillierten Plan wurden zehn SS-Männer und zwei Trawniki-Männer von den Häftlingen getötet. Um 16.55 Uhr, kurz vor dem täglichen Appell in Lager 1, brach der Aufstand aus. Die nur vereinzelt mit erbeuteten Waffen ausgestatteten Häftlinge stürmten unter den Gewehrsalven der Wachmannschaften aus dem Lager. Viele starben bei dem Versuch, den Zaun und das Minenfeld zu überwinden. Ca. 300 Menschen konnten in die Wälder flüchten. Einige geflohene Häftlinge wurden durch Suchtrupps aufgespürt und ermordet. 60 Häftlinge überlebten die Zeit des Krieges in Verstecken oder bei den Partisanen.
Die im Lager zurückgebliebenen Häftlinge aus Lager 3 und diejenigen, die sich nicht an der Flucht beteiligt hatten, wurden in den folgenden Tagen in Sobibór ermordet.
Ende Oktober 1943 wurden einige hundert Häftlinge aus dem Arbeitslager Treblinka 1 nach Sobibór gebracht. Sie mussten beim Abriss des Lagers und bei Verladearbeiten helfen. Das Gaskammergebäude wurde gesprengt, die Massengräber mit Sand eingeebnet und mit Bäumen bepflanzt. Allerdings blieben im Gegensatz zu den anderen beiden Vernichtungslagern, einige Gebäude auf dem Lagergelände stehen, darunter ein Großteil des Vorlagers. Im Juli 1944 drang die Rote Armee in die Gegend um Sobibór vor.

Nachkriegsprozesse

Erich Hermann Bauer, der sich selbst der „Gasmeister“ von Sobibór genannt hatte, wurde im August 1949 von den beiden Überlebenden Estera Raab und Samuel Lerer in Berlin auf der Straße erkannt und daraufhin verhaftet. Das Berliner Landgericht verurteilte ihn am 8. Mai 1950 wegen Verbrechen gegen die Menschlichkeit zum Tode. Dieses Urteil wurde in eine lebenslange Haftstrafe umgewandelt. Erich Bauer starb 1980 in der Justizvollzugsanstalt Tegel in Berlin.
Ein zweiter Prozess fand im darauffolgenden Jahr in Frankfurt am Main statt. Angeklagt wurden Hubert Gomerski und Johann Klier. Hubert Gomerski wurde zu einer lebenslangen Zuchthausstrafe verurteilt, Johann Klier dagegen wurde freigesprochen. Überlebende Häftlinge hatten ihn als einen relativ humanen SS-Mann beschrieben.
1965/66 fand vor dem Landgericht in Hagen ein Prozess gegen 12 ehemalige Lageraufseher statt. Die Anklage gegen 11 der Täter lautete Beihilfe zum gemeinschaftlichen Mord.
Sechs der angeklagten Männer wurden wegen Putativnotstands freigesprochen, weitere fünf wurden zu Haftstrafen zwischen drei und acht Jahren verurteilt. Nur Karl Frenzel wurde zu lebenslänglicher Haft verurteilt. Ihm konnte durch Aussagen Überlebender zusätzlich zum gemeinschaftlichen Mord auch der eigenhändige Mord an sechs jüdischen Häftlingen nachgewiesen werden. Nach einem Revisionsverfahren 1982 wegen einer juristischen Formsache wurde Frenzel seine Strafe erlassen. Nach einer erneuten Verhandlung ein Jahr später, wurde er wieder zu lebenslanger Haft verurteilt. Wegen seines Gesundheitszustandes wurde ihm die Strafe aber erlassen, er lebte bis zu seinem Tod 1996 in einem Altenheim in Hannover.
Franz Stangl, der Kommandant von Sobibór von April bis September 1942, konnte über Italien und Syrien nach Brasilien flüchten. Nach Bemühungen von Simon Wiesenthal konnte er 1967 in Brasilien verhaftet werden und wurde im Sommer des selben Jahres an die BRD ausgeliefert. 1970 wurde er vor dem Landgericht Düsseldorf angeklagt, dies allerdings für seine Beteiligung an den Morden in Treblinka, wo er von September 1942 bis August 1943 Kommandant gewesen war. Er wurde im Dezember 1970 zu lebenslanger Haft verurteilt, legte gegen das Urteil allerdings Revision ein. Er verstarb im Juni 1971 in einem Düsseldorfer Gefängnis an Herzversagen.

Stanislaw Szmajzner

Gustav Wagner, einer der brutalsten SS-Männer in Sobibór, konnte wie Franz Stangl über die „Rattenlinie“ über Italien und Syrien nach Brasilien flüchten. 1978 wurde er ebenfalls von Simon Wiesenthal aufgespürt. Stanislaw Szmajzner, ein ebenso in Brasilien lebender ehemaliger Häftling von Sobibór, konnte ihn identifizieren. Daraufhin wurde Wagner verhaftet. Mehrere Auslieferungsbegehren aus Polen, Österreich, der BRD und Israel wurden von brasilianischen Behörden abgelehnt. Am 3. Oktober 1980 fand man ihn tot in seiner Gefängniszelle. Die offizielle Todesursache lautete Suizid.

In der Nachkriegszeit fanden in der Sowjetunion mehrere Prozesse gegen Trawniki-Männer statt, die sehr oft mit der Todesstrafe endeten.
Am 30. November 2009 begann in München der Prozess gegen den ehemaligen Trawniki Mann John Demjanjuk. Er wurde am 12. Mai 2011 wegen Beihilfe zum Mord an 28.060 Menschen zu 5 Jahren Haft verurteilt, die er Aufgrund seines Alters aber nicht mehr antreten musste. Er starb im März 2012 in einem Altenheim in Bad Feilnbach.