Hermine Rothschild, geborene Katz
geboren am 4. August 1877 in Korbach, Hessen, Deutschland
ermordet am 03. Juni 1942 in der deutschen Mordstätte Sobibor
Familie
Lebensdaten
Das Gasthaus der Familie in Vöhl
Hermine mit ihrem Ehemann Alfred und Gästen vor dem Gästehaus
Richard Rothschild, Hermines Sohn
Biografie
Hermine Katz wurde am 4. August 1877 als älteste Tochter von Salomon Katz und seiner Ehefrau Johanna in Korbach geboren. Salomon Katz betrieb einen Getreidehandel und eine Kornbrennerei in Korbach. Zusammen mit ihren vier jüngeren Geschwistern Siegfried, Jahrgang 1879, Emma, Jahrgang 1882, Meta, Jahrgang 1883 und Margarete, Jahrgang 1885, wuchs sie im Haus der Eltern in der Lengefelder Straße 11 auf. Ihre Schwester Meta, verheiratete Neuhahn, verstarb 1923.
Am 4. Juli 1904 heiratete Hermine in Korbach den Kaufmann Alfred Rothschild. Das Paar wohnte zunächst im Haus der Eltern in Korbach und zog später ins benachbarte Vöhl. Die Familie lebte in der Arolser Straße 87 bzw. 88, später Hausnummer 2. Ehemann Alfred ist 1936 als Eigentümer des Hauses Nr. 88 registriert. In Vöhl bewirtschafteten sie zusammen den stattlichen Gasthof „Prinz Wilhelm“ in der Basdorfer Str. 1 und führten ein Geschäft mit Kolonialwaren im selben Haus. Die jüdische Religion spielte für sie eine untergeordnete Rolle. Nach späteren Aussagen ihres Sohnes waren sie sogenannte „3-F-Juden“, die nur die drei großen jüdischen Feiertage begingen, das waren Rosch ha-Schana, Jom Kippur und Sukkot. Ein Jahr nach ihrer Hochzeit wurde ihr Sohn Richard geboren.
Die Familie scheint völlig in den dörflichen Alltag integriert gewesen zu sein. Alfred Rothschild beispielsweise war in den Gemeinderat gewählt worden. Während des Ersten Weltkrieges diente er in der Reichswehr und wurde mit dem Eisernen Kreuz II. Klasse ausgezeichnet. 1921 beteiligt er sich als Stifter am Kriegerdenkmal Vöhl. Hermine kümmerte sich in der Zeit der Abwesenheit ihres Ehemannes allein um den Gasthof, das Geschäft und den Sohn. Luise Siegmann, eine Angestellte, berichtete nach dem Krieg, dass Hermine das Regiment in der Küche führte und ausgezeichnet kochte. Die jungen Mädchen hätten viel von ihr lernen können.
Ehemann Alfred Rothschild war Mitglied in mehreren Vöhler Vereinen. Unter anderem war er einer der Regisseure einer Laienschauspielgruppe. Der Sohn Richard Rothschild besuchte das Fürstliche Landesgymnasium in Korbach.
Als Anfang 1933 den Nationalsozialisten die Macht übergeben wurde, hatte dies bald Auswirkungen auf die Familie Rothschild. Bei den Kommunalwahlen am 5. März 1933 erhielt ihr Ehemann Alfred zu wenige Stimmen von seinen Mitbürgerinnen und Mitbürgern für einen Sitz im Gemeinderat.
Sohn Richard
Im Juni 1933 wurde Sohn Richard verhaftet und für zwei Wochen im Frankenberger Gefängnis eingesperrt. Einen Monat später wurde eine Liste von 35 Personen zu beobachtenden Personen aus dem Kreisgebiet erstellt, zu diesen zählte auch Richard Rothschild. Er entschied sich für eine Emigration nach Palästina. In einer „Hachschara“, einem Vorbereitungslager für die Auswanderung nach Palästina, bereitete er sich in Grüsen auf eine landwirtschaftliche Tätigkeit in Palästina vor. In Grüsen lernte er seine Frau Gerda kennen und sie heirateten am 1. Dezember 1934. Im Januar 1935 verließ er seine Eltern, Vöhl und Deutschland und ging zusammen mit seiner Frau nach Palästina. Beide starben im hohen Alter in Israel.
Nach 1938
Hermine und Alfred Rothschild spürten die Ablehnung ihrer Mitbürgerinnen und Mitbürger auch in ihrem Gasthaus sehr schnell, die Kunden blieben weg. Schließlich musste 1939 ihr Gasthof und zwei ihrer Grundstücke abgegeben werden. In einer Vermögensaufstellung wurde unter dem 3. Oktober 1947 als letztes verbliebenes Vermögen von Hermine Rothschild ein Ackergrundstück von eineinhalb Hektar zum Wert von 7.000 RM angegeben.
Im August 1938 verkaufte die jüdische Gemeinde gezwungenermaßen die Synagoge am Ort. Von den verbliebenen 13 jüdischen Gemeindemitgliedern waren drei Männer, es konnte kein Gottesdienst mehr stattfinden. Alfred Rothschild wurde beauftragt, die Verhandlungen für die jüdische Gemeinde zu führen. Für ein Spottgeld wurde die Synagoge veräußert. Das Geld ging auf ein Sperrkonto, über das die jüdische Gemeinde nicht mehr verfügen konnte.
Nach der Reichspogromnacht 1938 wurde der inzwischen 67-jährige Ehemann Alfred Rothschild verhaftet und ins Konzentrationslager Buchenwald gebracht. Erst am 5. September 1939 kehrte Alfred Rothschild schwer krank zurück nach Vöhl. Der Hausarzt konnte keine äußerlichen Verletzungen feststellen. Hermine Rothschild zog vorübergehend mit ihrem Mann nach Korbach ins Hinterhaus des elterlichen Anwesens. Am 13. September 1939 verstarb ihr Mann Alfred Rothschild. Er wurde auf dem jüdischen Friedhof in Korbach beigesetzt. Hermine zog zurück nach Vöhl. Vermutlich wurde sie zwangsweise bei ihren Nachbarn untergebracht. Die letzte Anschrift vor ihrer Deportation war die Mittelgasse 7, das Haus der jüdischen Familie Mildenberg.
Hermines Schwester Emma Katz hatte am 30.1.1901 den im hessischen Sachsenhausen geborenen Kaufmann Maximilian Hirsch geheiratet. Aus ihrer Ehe gingen drei Kinder hervor. 1934 verstarb ihr Mann im Dorf Sachsenhausen. Die drei Kinder wanderten nach Palästina und Schweden aus und entkamen so der Verfolgung durch die Nationalsozialisten. 1937 zog Emma Hirsch nach Korbach zurück ins elterliche Anwesen.
Im Herbst des Jahres 1941 mussten Hermines Mutter Johanna Katz, ihre Schwester Emma Hirsch und ihre unverheiratete Schwester Margarete das Anwesen in Korbach in der Lengefelder Straße 11 verlassen und in das „Judenhaus“ Kirchstraße 13 umziehen.
Deportation nach Sobibor
Anfang April 1942 erfuhren die Schwestern Hermine Rothschild und Emma Hirsch von ihrer geplanten „Umsiedlung in den Osten“. Am 29. Mai 1942 begaben sich die beiden Schwestern nach Kassel. Dort wurden sie in die `Sammelstelle´ in der Turnhalle des Schulkomplexes in der Kasseler Schillerstraße gebracht. Hier wurden sie registriert und auf Wertsachen durchsucht. Hermine Rothschild und ihre Schwester Emma Hirsch wurden am Morgen des 1. Juni 1942 mit 506 anderen jüdischen Männern, Frauen und Kindern aus dem Geheimen Staatspolizei Bezirk Kassel mit dem Sonderzug „Da 57“, über Halle und Chemnitz, wo weitere hunderte Menschen in den Zug zusteigen mussten, deportiert. Der Zug erreichte am 3. Juni 1942 Sobibor. Die beiden Schwestern wurden unmittelbar nach ihrer Ankunft im Vernichtungslager Sobibor ermordet.
Der Bruder Siegfried Katz hatte am 11.6.1911 die in Göttingen geborene Hedwig Plaut geheiratet. Nach dem Tod seines Vaters hatte Salomon Katz dessen Betrieb in Korbach übernommen. Die Eheleute wurden am 26. September 1941 in das Sammellager Wrexen gebracht. Von hier aus wurden sie Ende Mai 1942 in die `Sammelstelle´ in der Turnhalle des Schulkomplexes in der Kasseler Schillerstraße gebracht und mussten denselben Deportationszug wie Hermine und Emma besteigen. Der Zug erreichte am 3. Juni 1942 Sobibor, wo auch Siegfried und Hedwig Katz unmittelbar nach ihrer Ankunft ermordet wurden.
Mutter Johanna und Schwester Margarete Katz
Die Schwester Margarete Katz und die Mutter Johanna Katz wurden etwa drei Monate später, am 7.9.1942, von Kassel aus mit weiteren 753 jüdischen Menschen nach Theresienstadt deportiert. Johanna Katz starb im Konzentrationslager Theresienstadt am 26.9.1942. Ihre Tochter Margarete wurde am 23. Januar 1943 in das deutsche Konzentrations- und Vernichtungslager Auschwitz-Birkenau deportiert. Es ist davon auszugehen, dass die 58-Jährige direkt nach ihrer Ankunft am 24. Januar 1943 ermordet wurde.
Verwendete Dokumente und Literatur
Gottwald, Alfred und Schulle, Diane, Die „Judendeportationen“ aus dem Deutschen Reich 1941-1945, 2005
Hänschen, Steffen, Das Transitghetto Izbica im System des Holocaust, 2018
Kingreen, Monika u.a., Hanauer Juden 1933-1945, Entrechtung, Verfolgung, Deportation, 1998