Rosalie Rosa Rosenthal
geboren am 15. November 1886 in Lage, Nordrhein-Westfalen, Deutschland
ermordet am 14. Mai 1943 in der deutschen Mordstätte Sobibor
Familie
Lebensdaten
Alma Rosenthal, Rosas Schwester
Biografie
Rosalie Rosenthal wurde in Lage in Westfalen als fünftes von neun Kindern von Elka und David Rosenthal geboren. Sie waren vier Mädchen und fünf Jungen. Die ersten Lebensjahre verbrachte sie mit der Familie im Haus in der Heidenschen Straße in der kleinen westfälischen Stadt Lage. Am Haus gab es einen großen Garten und eine kleine Landwirtschaft. Vater David verdiente den Lebensunterhalt als Textilhändler, die Mutter versorgte die riesige Familie. Der Vater war gut in das gesellschaftliche Leben des Ortes integriert. Er war Mitglied in verschiedenen Vereinen, unter anderem dem örtlichen Schützenverein und dem Männer-Gesangsverein. Die Liebe zur Musik verband die Familie und spielte im Alltag eine große Rolle, es wurde viel gesungen und musiziert.
Kurz nach der Geburt der jüngsten Tochter Alma zog die Familie nach Herford um, wo die Familie nun in einer Stadtwohnung lebte. Der Vater ging Ende des 19. Jahrhunderts in die USA, die Gründe hierfür sind nicht bekannt. Mit seinem Weggang brach das Einkommen der Familie weg. Mutter Elka kehrte mit ihren Kindern zurück ins Armenhaus in Lage. Die schwierige Situation der Familie verschärfte sich noch durch Krankheit. Mutter Elka und einige der Kinder erkrankten an Typhus. Im darauffolgenden Jahr kehrte der Vater aus den USA zurück und die Familie zog in eine Wohnung in Bielefeld. Vater David ging verschiedenen Gelegenheitsarbeiten nach und erzielte nur ein spärliches Einkommen. Rosalie und Hugo verdienten für die Familie etwas Geld mit Heimarbeit, der sie nach der Schule nachgingen. Trotz des geringen Einkommens der großen Familie machten alle Kinder eine gute Ausbildung. Drei Brüder besuchten das jüdische Lehrerseminar in Münster. Karl Rosenthal studierte in Münster, Berlin und Köln und wurde später Rabbiner in Dortmund und Berlin. Alma, die Jüngste, ließ sich zur Stenotypistin ausbilden. Nachdem Rosalie ihre Schulausbildung abgeschlossen hatte, machte sie eine Ausbildung zur Schneiderin in Celle. Dina Rosenthal machte eine Ausbildung als Verkäuferin und fand eine gute Anstellung, mit der sie die Familie finanziell unterstützen konnte. Grete erlernte den Beruf der Buchhalterin und war in verschiedenen Firmen tätig.
Alle fünf Söhne waren Weltkriegsteilnehmer im 1. Weltkrieg. 1916 fiel der Bruder Georg im Krieg im Beisein des Bruders Hugo. Der Bruder Siegfried verstarb kurz nach dem Krieg an seinen Kriegsverletzungen.
Anfang der dreißiger Jahre verstarben die Eltern, beide weit über 70 Jahre alt, in Bielefeld.
Flucht ins Ausland
In den 30er Jahren floh die gesamte Familie ins Ausland. Vier Töchter der Familie gingen in die Niederlande. Alma und Rosalie, beide über vierzig Jahre alt, emigrierten wenige Monate nach der Reichspogromnacht 1938 nach Enschede in die Niederlande. Dort wohnte bereits ihre ältere Schwester Dina mit ihrer Familie. Vermutlich floh die Schwester Gretchen 1939 in die Niederlande. Drei Brüder aus der Familie setzten sich ebenfalls ins Ausland ab, sie flohen in die USA, nach Großbritannien und nach Israel.
Die mit der Flucht in die Niederlande erhoffte Sicherheit vor den Nationalsozialisten dauerte nur kurze Zeit. Im Mai 1940 besetzte die deutsche Wehrmacht die Niederlande. Die nationalsozialistischen Besetzer führten innerhalb kurzer Zeit auch hier antijüdische Gesetze ein und setzten sie sukzessive um.
Verhaftung und Deportation nach Sobibor
Anfang Mai 1943 wurden Rosalie und Alma verhaftet und in das deutsche Konzentrationslager s´Herzogenbusch verschleppt. Rosalie wurde am 8. Mai in das Polizeiliche Durchgangslager Westerbork gebracht, Alma einen Monat später, am 7. Juni 1943.
Die Schwester Dina Rosenthal heiratete in Witten David Zilversmit, der 1888 in den Niederlanden geboren wurde. Zuerst lebte das Paar in Castrop-Rauxel. 1937 entschlossen sie sich, in die Niederlande zu emigrieren. Sie bewohnten ebenfalls eine Wohnung in Enschede.
Das „Polizeiliche Judendurchgangslager Westerbork“ diente als Konzentrationslager in Vorbereitung der Deportationen v.a. der jüdischen Flüchtlinge und niederländischen Juden und Jüdinnen in die Vernichtungslager. Von hier wurden zwischen 1942 und 1944 insgesamt 107.000 Jüdinnen und Juden in den Osten verschleppt - 19 Transporte mit über 34.000 Menschen verließen Westerbork mit dem Ziel Sobibor.
Am Montag, den 11. Mai 1943, musste Rosalie einen Viehwaggon besteigen, der von Westerbork in das deutsche Mordlager Sobibor im heutigen Ostpolen fuhr. Nach der dreitägigen Fahrt erreichte der Zug Sobibor. Rosalie wurde direkt nach ihrer Ankunft im Lager ermordet.
Die Geschwister
Vier Wochen später, am 8. Juni 1943, ereilte Alma dasselbe Schicksal. Auch sie wurde in einer dreitägigen Fahrt in einem Viehwaggon in die Mordstätte Sobibor deportiert und unmittelbar nach ihrer Ankunft am 11. Juni ermordet.
Dina und David Zilversmit wurden im Oktober 1942 verhaftet und im polizeilichen Durchgangslager in Westerbork interniert. Fünf Monate später, am 16. Februar 1943, wurden sie in das deutsche Konzentrations- und Vernichtungslager Auschwitz-Birkenau zusammen mit weiteren 1108 Jüdinnen und Juden verschleppt, von denen 200 Männer und 61 Frauen zur Arbeit ins Lager aufgenommen wurden. Sie und alle anderen Deportierten wurden unmittelbar nach ihrer Ankunft ermordet.
Grete Rosenthal blieb ledig und arbeitete bis 1933 als Buchhalterin in verschiedenen Firmen. Nach 1933 fand sie nur noch Anstellung in jüdischen Haushalten. 1939 emigrierte sie in die Niederlande zu ihrer Schwester Dina. Sie versuchte in die USA auszuwandern. Ihre Bemühungen zu emigrieren waren jedoch vergebens. Eine gute Freundin, die Bibliothekarin Hendrika Hondius, versteckte Grete bis zur Befreiung, als einziges weibliches Kind der Großfamilie überlebte sie die Zeit der Verfolgung. Sie starb 1955 in Enschede.
Karl Rosenthal wurde Rabbi in der jüdischen Gemeinde in Dortmund, wo er auch seine spätere Ehefrau Gertrude Schuster kennenlernte. Kurz vor Ausbruch des 1. Weltkrieges heirateten sie. Aus der Ehe gingen zwei Kinder hervor. Ab 1924 war Rosenthal Rabbiner der Jüdischen Reformgemeinde in Berlin und Vorsitzender mehrerer "B’nai Brith-Logen", sowie des Central-Vereins Deutscher Staatsbürger Jüdischen Glaubens und Mitglied im Reichsbund Jüdischer Frontsoldaten. Im Zuge der Novemberpogrome 1938 wurde Karl Rosenthal verhaftet und im Konzentrationslager Sachsenhausen inhaftiert. Nach drei Monaten wurde er mit der Auflage Deutschland sofort zu verlassen, aus der Haft entlassen und flüchtete nach Oxford in Großbritannien. Die Familie von Karl Rosenthal lebte nach Kriegsende in den USA. Karl Rosenthal war Rabbiner u.a. in Wilmington, North Carolina, wo er 1952 starb.
Leopold Rosenthal heiratete 1920 Meta Stern. Sie wohnten mit ihren beiden Söhnen in Montabaur in Rheinland-Pfalz, Deutschland. Von Beruf war er Schuhmacher. Während der Reichspogromnacht im November 1938 wurde er verhaftet und musste mehrere Wochen im Konzentrationslager Buchenwald verbringen. Unter der Auflage auszuwandern wurde er entlassen. Die Familie emigrierte im Mai 1939 in die USA und zog nach Los Angeles. Leopold starb 1950.
Hugo Rosenthal wurde am jüdischen Lehrerseminar in Münster zum Lehrer ausgebildet. Er unterrichtete bis 1910 an einer einklassigen jüdischen Volksschule in Gütersloh. Dort erfuhr er erste offene antijüdischen Anfeindungen. Im Fronteinsatz des 1. Weltkriegs starb sein jüngerer Bruder Georg direkt neben ihm. Nach Kriegsende wendete er sich dem Zionismus zu.
Hugo Rosenthal heiratete Betty Goldschmidt, sie war ausgebildete Konzertpianistin. Aus ihrer Ehe gingen drei Kindern hervor. Von 1920 bis 1924 wohnte die Familie in Wolfenbüttel. Hugo war in dieser Zeit in der Arbeit der zionistischen Jugendbewegung aktiv. 1925 wanderte die Familie nach Palästina aus. Das Paar arbeitete dort an einer Schule in Haifa. 1929 kamen sie aufgrund wirtschaftlicher Probleme zurück nach Deutschland und wohnten in Berlin. Hugo unterrichtete in Berlin in einer jüdischen Schule und publizierte wissenschaftliche Veröffentlichungen. Nach der Machtübernahme der Nationalsozialisten übernahm er die Leitung des jüdischen Landschulheims in Herrlingen in Süddeutschland. Die Schule wurde im März 1939 geschlossen und die Familie wanderte endgültig nach Palästina aus.
Verwendete Dokumente und Literatur
Website des Archivs ITS Arolsen
Website Gedenkbuch des Bundesarchivs
Rosenthal, Hugo (Jashuvi, Josef), Lebenserinnerungen, hg. von Prüter-Müller, Micheline und Schmidt, Peter Wilhelm A., 2000