'Leni' Magdalena Valk
geboren am 28. September 1933 in Goch, Nordrhein-Westfalen, Deutschland
ermordet am 21. Mai 1943 im deutschen Mordlager Sobibor
Familie
Lebensdaten
Sophie und Otto Stern sowie Erna und Walter Valk mit Leni
Portät von Leni
Leni mit ihrer Mutter Erna
Der Gedenkstein für Leni in der Gedenkallee wurde von der Realschule in Goch gespendet, die Schule trägt Lenis Namen
Biografie
Leni Valk wohnte zusammen mit ihren Eltern in der Hindenburgstraße, heute Brückenstraße 37, in Goch. Ihr Vater betrieb seit 1930 ein Geschäft für Herren- und Knabenbekleidung im `de Witt-Haus´ am Gocher Marktplatz.
In Goch lebten schon seit Ende des 13. Jahrhundert Jüdinnen und Juden. Die Synagoge im Ort wurde 1812 erbaut und mehrmals erweitert und renoviert. 1933 wohnten rund 70 Jüdinnen und Juden in der Stadt. Viele von ihnen verließen in den kommenden Jahren Goch, nur wenige Menschen kehrten nach Kriegsende zurück, zwei von ihnen waren Lenis Eltern.
Als jüdisches Kind war Leni Valk der Besuch des Kindergartens verboten. Eine Gocher Mitbürgerin hatte sich zudem laut Aussage ihrer Mutter für Lenis Ausschluss engagiert, sie wollte nicht, dass ihre Kinder mit einem jüdischen Mädchen spielten. Leni fehlten Spielkameraden und Spielkameradinnen. Sie war sehr einsam. So tröstete sie sich mit Vorliebe damit, im Gocher Stadtpark oder am Schwanensee zu sitzen.
Jahre später erzählte ihre Mutter Erna Valk von dieser Zeit: „Vor allem durfte Leni nicht mit zum St. Martins-Zug gehen wie die anderen Kinder. Das tat ihr furchtbar weh und sie stellte mir die Frage, ob sie später zur Schule gehen dürfe. Als die Mutter verneinte, war sich Leni sicher: „Dann will ich nicht hierbleiben, dann will ich nach Holland.“
Auch das Geschäft des Vaters lief immer schlechter, nur noch wenige Leute trauten sich bei dem jüdischen Händler einzukaufen. Er gab das Geschäft im Sommer 1938 auf. Zu dieser Zeit musste die Familie ihre Mietwohnung verlassen und sie kamen bei Lenis Onkel und Tante in der Herzogenstraße 36 unter.
Nach 1938
Am 8. November 1938 sah Leni Valk, sie war fünf Jahre alt, wie die Gocher Synagoge in Flammen aufging. Am Abend der Reichspogromnacht wurde die Wohnung der Valks von Nazis durchsucht, selbst Lenis Puppenwagen blieb nicht verschont und wurde umgeworfen. Am nächsten Morgen wurde ihr Vater verhaftet und erst ins Gocher und später ins Klever Gefängnis gebracht. Vier Tage später verschleppte man ihn ins Konzentrationslager Dachau, aus dem er erst einige Monate später wieder entlassen wurde.
Am 15. November 1938 erließen die Nationalsozialisten ein Schulverbot für jüdische Kinder in öffentlichen Schulen. Die Mutter beschloss, ihre Tochter Leni nach Leeuwarden in die Niederlande zu schicken und bei Lenis Tante Hertha und Onkel Isaak Valk in Sicherheit zu bringen.
Ein nicht-jüdischer Nachbar mit niederländischer Staatsangehörigkeit brachte das Mädchen im Dezember 1938 über die Grenze bis zur Bahnstation in Boxmeer in der Provinz Limberg. Dort kaufte er ihr eine Fahrkarte und hängte dem fünfjährigen Mädchen ein Schild um den Hals mit der Aufschrift: „Bitte helft diesem Kind, Zielort Leeuwarden“.
Leni lebte fortan bei der Familie ihres Onkels Isaak, die schon 1936 in die Niederlande emigriert war. Isaak Valk wohnte in Leeuwarden mit seiner Frau und den beiden Kindern Josef und Hildegart Susanne. Hier ging Lenis Wunsch in die Schule gehen zu dürfen, endlich in Erfüllung. Sie besuchte anfangs die Grundschule und wechselte später in die Jüdische Schule in Leeuwarden. Leni lernte schnell die niederländische Sprache und schrieb ihren Eltern Briefe, denen sie manchmal Fotos beilegte. Im Mai 1940 überfiel die deutsche Wehrmacht die Niederlande, dadurch wurde auch die Situation für die Familie von Lenis Onkel schwieriger. In einem Brief vom November 1941 schrieb ihre Tante Hertha an Lenis Mutter: „Leni hilft uns über das Trübsal hinweg. Ihre sonnige Natur sieht natürlich noch keine Schwierigkeiten ... Gestern hatte Leni einen besonders guten Tag, mittags gab es Kartoffelpfannkuchen, am Nachmittag war sie zur Religionsstunde, die sie besonders liebt, abends gab es Steckrüben, die sie als ihr Leibgericht angibt. Also an einem Tag dreimal geboft“ (Glück gehabt). Ab dem 2. Mai 1942 mussten jüdische Menschen auch in den Niederlanden den ausgrenzenden gelben Stern tragen.
Verhaftung und Deportation
Am 5. Oktober 1942 wurde Leni mit ihrer Tante Hertha in das Polizeiliche Durchgangslager Westerbork gebracht. Das „Polizeiliche Judendurchgangslager Kamp Westerbork“ diente als Konzentrationslager in Vorbereitung der Deportationen v.a. der jüdischen Flüchtlinge und niederländischen Jüdinnen und Juden in die Vernichtungslager. Von hier wurden zwischen 1942 und 1944 107.000 Jüdinnen und Juden in den Osten verschleppt – 19 Transporte mit über 34.000 Menschen verließen Westerbork mit dem Ziel Sobibor. 65 Transporte mit 57.000 Jüdinnen und Juden verließen Westerbork mit dem Ziel Auschwitz-Birkenau.
Lenis Cousin Josef Valk und ihr Onkel Isaak Valk waren bereits drei Tage vorher nach Westerbork verschleppt worden. Dort traf sie am 15. Oktober 1942 auch ihren Onkel Otto und ihre Tante Sophie Stern wieder, bei der sie eine Zeit lang in Goch gelebt hatte. Otto und Sophie Stern wurden schon zwei Wochen nach ihrer Ankunft in Westerbork, am 30. Oktober 1942, in die deutsche Mordstätte Auschwitz-Birkenau deportiert. Sie wurden am 2. November, direkt nach ihrer Ankunft in Auschwitz-Birkenau, ermordet.
Lenis Cousine Hildegart Susanne Valk arbeitete als Krankenschwester in der Apeldoornse Bos, einer jüdischen psychiatrischen Einrichtung in Amsterdam. In der Nacht vom 21. auf den 22. Januar 1943 wurden alle Patienten und das Personal der Klinik verhaftet und in einem Transport nach Auschwitz-Birkenau im heutigen Polen verbracht. Nach ihrer Ankunft in Auschwitz wurden Hildegart Susanne Valk und alle weiteren Menschen dieses Transportes ermordet.
Lenis Cousin Josef Valk wurde nur wenige Wochen später, am 16. Februar, nach Auschwitz-Birkenau verschleppt. Es ist davon auszugehen, dass auch er am 18. Februar 1943, direkt nach der Ankunft in Auschwitz – Birkenau, ermordet wurde.
Am Morgen des 18. Mai 1943 mussten Leni, ihre Tante Hertha und ihren Onkel Isaak zusammen mit weiteren 2508 Menschen einen Deportationszug besteigen. Sie wurden mit dem 12. Transport von Westerbork aus in die Mordstätte Sobibor verschleppt. Leni, ihre Tante und ihr Onkel wurden am 21. Mai 1943, unmittelbar nach ihrer Ankunft dort ermordet. Niemand aus diesem Transport überlebte.
Die Eltern
Lenis Eltern, Erna und Walter Valk, wurden bereits am 10. Dezember 1941 verhaftet, für sie begann ein langer und fürchterlicher Weg durch verschiedene deutsche Arbeits- und Konzentrationslager. Es ist davon auszugehen, dass Lenis Abwesenheit zum Überleben der Mutter beigetragen hat, da Kinder meist eine Selektion in den Tod mit sich brachten. Am 30. Juni 1945 kehrte Erna Valk zurück nach Goch, wo zehn Tage später auch ihr Mann eintraf. Sie suchten nach ihrer Tochter Leni, ihre Spur verlor sich vorerst in Westerbork. Erst später erhielten sie Auskunft darüber, was ihrer kleinen Tochter Leni widerfahren war und wo sie ermordet wurde.
Walter Valk eröffnete sein Bekleidungsgeschäft in Goch erneut. Er starb am 30. Juli 1962 in Goch. Erna Valk setzte sich nach dem Krieg in ihrer Heimatstadt als Zeitzeugin dafür ein, das Gedenken an ihre Tochter Leni aufrecht zu erhalten, für ihren Einsatz erhielt sie das Bundesverdienstkreuz. 1979 wurde die Realschule in Goch nach Leni Valk benannt. Erna Valk verstarb 88-jährig am 10. August 1993 in Goch.
Erinnerung an Leni Valk in Goch
Verwendete Dokumente und Literatur
Website des Archivs ITS Arolsen
Website Gedenkbuch des Bundesarchivs
Website einer Initiative aus Goch zu Leni Valk
Erinnerungen:
Die Mutter von Leni, Erna Valk, hat die Zeit ihres Leidens in Ghettos und Konzentrationslagern festgehalten. Ihre Erinnerungen sind hier in deutscher Sprache nachzulesen:
http://wp.ge-mittelkreis.de/webfrie05/webinsch/jupage/valkernabe.htm