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- Lichtenstein | Gedenkweg in Sobibor
< zurück vorherige Inge Lichtenstein geboren am 4. Februar 1930 in Volkmarsen, Hessen, Deutschland ermordet am 3. Juni 1942 in der deutschen Mordstätte Sobibor Familie Vater: Meinhard Lichtenstein geboren am 05. Juni 1886 in Volkmarsen, Hessen, Deutschland ermordet am 3. Juni 1942 in der Mordstätte Sobibor Mutter: Käthe Karoline Lichtenstein, geborene Frankenthal geboren am 18. März 1892 in Altenlotheim, Hessen, Deutschland ermordet am 3. Juni 1942 in der Mordstätte Sobibor Bruder: Lichtenstein, Arthur geboren am 7. Februar 1920 in Volkmarsen, Hessen, Deutschland ausgewandert 1938 in die USA gestorben am 8. September 1971 in den USA Schwester: Lichtenstein, Ilse geboren am 24. Februar 1923 in Volkmarsen, Hessen, Deutschland ausgewandert im Frühjahr 1940 in die USA gestorben am 26. April 2006 in den USA Lebensdaten 1930 Geburt in Volkmarsen ab 1936 Flucht der Großeltern, ihres Bruders und zweier Onkel in die USA 1936 Einschulung 1938 erlebt die Reichspogromnacht 1938 Inhaftierung für einen Tag, zusammen mit ihrer Mutter 1938 Erkrankung der Mutter 1938 Inhaftierung des Vaters im Konzentrationslager Buchenwald 1938 Verbot des Schulbesuches 1938 Berufsverbot für ihren Vater 1939 Kindertransport in die Niederlande mit ihrer Schwester 1939 Enteignung der Eltern und Zwangsumzug in ein „Judenhaus“ 1940 Schwester Ilse flieht von den Niederlanden aus in die USA 1941 Inge wird von ihren Pflegeeltern zurück nach Volkmarsen gebracht 1942 Verschleppung und Ermordung in Sobibor nächste Familienfoto mit Inges Eltern, Großeltern und ihrer Schwester Ilse Bild zur Bar Mitzwah von Bruder Arthur, Lieselotte sitzt auf dem Schoss ihres Großvaters Telegram des Vaters an die Geschwister in den USA vom 3. Juni 1942 -dem Tag ihrer Deportation von Kassel Ilse, Inge und Arthur Lichtenstein, ca 1936 Biografie Inge Lichtenstein wurde 1930 in Volkmarsen bei Kassel als jüngste Tochter von Meinhard und Käthe Lichtenstein geboren. Sie wohnte mit ihrer Familie an der Oberen Stadtmauer 33. Ihr Vater Meinhard war ein angesehener Schneidermeister im Ort und hatte seine Werkstatt und seinen Laden im eigenen Haus. Ihre Mutter versorgte die Familie und arbeitete im Geschäft mit. Inge Lichtenstein musste schon als Kind schwere Trennungen erleben. Ihr älterer Bruder, zwei ihrer Onkel und ihre Großeltern mütterlicherseits wanderten zwischen 1936 und 1939 in die USA aus. Inge Lichtenstein wuchs in einer religiösen Familie auf. Ihre Mutter Käthe Lichtenstein war in der jüdischen Gemeinde aktiv, ihr Vater war 2. Vorsitzender der jüdischen Gemeinde und Thora-Vorleser in der Synagoge. Die jüdische Gemeinde Volkmarsen hatte 1933 noch 34 Mitglieder. Wahrscheinlich besuchte Inge die Volksschule am Mönchepfuhl in Volkmarsen. Wie ihre Schwester in einem Interview berichtete, hatte sie viele Freundinnen, vor allem aus christlichen Familien. Die Reichspogromnacht 1938 Mit acht Jahren musste Inge die Schrecken der Pogromnacht miterleben. Ihr Vater und die ältere Schwester Ilse waren nicht zu Hause. Das Haus und die Schneiderwerkstatt wurden völlig ausgeraubt und demoliert. Sie wurde mit ihren acht Jahren zusammen mit ihrer Mutter für eine Nacht vom 10. auf den 11. November in Polizeigewahrsam genommen. Ihre Mutter erlitt in den Tagen darauf eine Herzattacke. Inges ältere Schwester Ilse kümmerte sich in der Folgezeit um sie und die kranke Mutter. Als ihr Vater am Tag nach der Reichspogromnacht zurück nach Volkmarsen kam, wurde auch er verhaftet, von einem Polizisten, der ihr Nachbar und der beste Freund des Vaters war. Zwei Tage später wurde er ins Konzentrationslager Buchenwald verschleppt, von wo er sechs Wochen später von Misshandlungen gekennzeichnet, abgemagert und erschöpft zurückkehrte. Das Geschäft durfte er nun nicht wieder eröffnen. Mitte November 1938 wurde es jüdischen Kindern untersagt, öffentliche Schulen zu besuchen, das betraf auch Inge. Nach den Novemberpogromen versuchten Tausende Jüdinnen und Juden das Deutsche Reich so schnell wie möglich zu verlassen. Allerdings gab es in den infrage kommenden Ländern strenge Einreisebestimmungen und lange Wartezeiten für die beantragten Visa. Auch die Lichtensteins hatten keine Hoffnung mehr auf ein erträgliches Leben in Deutschland und hatten Pläne in die USA auszuwandern. Im Kindertransport in die Niederlande Einige Länder nahmen nach der Pogromnacht schnell und unbürokratisch jüdische Kinder bei sich auf. Sicherlich schweren Herzens aber mit der Hoffnung auf mehr Sicherheit für ihre Kinder, konnten Meinhard und Käthe auch für ihre beiden Töchter einen Platz in einem dieser Transporte für 150 Kinder aus der Region Kassel bekommen. Anfang Januar 1939 verließen Inge und Ilse ihren Heimatort Volkmarsen. Ilses Lehrer und ihre beste Freundin Emmi begleiteten sie zum Bahnhof. Sie fuhren vom Gleis 5 ab Kassel Hauptbahnhof mit dem Zug über Hannover in die Niederlande, in Enschede wurden sie mit Schokolade begrüßt. Die beiden Schwestern lebten in den folgenden Monaten in verschiedenen Kinderheimen in Bergen aan Zee, Driebergen und Rotterdam. Sie wurden unterrichtet und lernten Niederländisch und Englisch. Die ältere Schwester fühlte sich verantwortlich für ihre kleine Schwester. Leider machten die aus Deutschland Geflohenen auch in Holland schlechte Erfahrungen: eine Betreuerin sagte ihnen; „Hitler hätte vollkommen recht gehabt, daß er die J. rausgejagt hätte. Hier in Holland würde auch dafür gesorgt, daß es so käme“ . Mit Briefen hielten die beiden Kinder Kontakt zu ihren Eltern in Volkmarsen und zu Verwandten in den USA. In einem dieser Brief schilderte Ilse ihrem Bruder Arthur die Erlebnisse der Pogromnacht (siehe unten). Im Sommer 1939 nahm das niederländische jüdische Ehepaar Issak und Masche Hirschfeld Inge zu sich. Die Familie wohnte nur wenige hundert Meter entfernt von Ilses Kinderheim. Mitte März 1940 erhielt Ilse das Visum für die USA und ihr Bruder ließ ihr die Fahrkarten für die Schiffspassage über den Atlantik zukommen. Am 5. April 1940 verließ sie mit dem letzten Flüchtlingsschiff, der „Volendam“, die Niederlande in Richtung New York. Die Eltern hatten sie gebeten, die kleinere Schwester mit aufs Schiff zu schmuggeln, was natürlich nicht möglich war. Inge konnte allerdings ihre ältere Schwester am Rotterdamer Hafen verabschieden. Nur wenige Wochen später besetzte die Wehrmacht die Niederlande. Wegen zunehmender Repressionen gegen die niederländische und v.a. jüdische Bevölkerung im Frühjahr 1941, entschied sich die niederländische Familie Hirschfeld im Juni, Inge wieder in die Obhut ihrer Eltern nach Volkmarsen zu bringen. Wieder zurück in Volkmarsen Inges Eltern hatten 1939 ihr eigenes Haus verlassen müssen. Sie wohnten nun zwangsweise zusammen mit den verbliebenen jüdischen Mitbürgerinnen und Mitbürgern im jüdischen Schulhaus in Volkmarsen, beengt und verarmt. Dem Vater war es nicht mehr erlaubt, in seinem Schneidergeschäft zu arbeiten, er musste Zwangsarbeit beim Straßenbau leisten. Die Mutter kränkelte. Inge besuchte nun die jüdische Schule in Kassel und pendelte täglich mit dem Zug zwischen Kassel und Volkmarsen. Die ältere Schwester Ilse hatte im Februar Geburtstag. Zu diesem Anlass erhielt sie einen Brief von ihrer Familie. Sie schrieben ihr, dass sie nach Polen ausgesiedelt werden. Dieser Brief war das letzte Lebenszeichen ihrer Familie aus dem fernen Volkmarsen. Die Deportation nach Sobibor Für die zweite von den drei großen zentral organisierten Deportationen aus dem Regierungsbezirk Kassel standen sechs Personen aus Volkmarsen auf der Deportationsliste. Zum 31.5.1942 wurde die Familie Lichtenstein in die `Sammelstelle´ in der Turnhalle der Wörth-Schule in der Kasseler Schillerstraße bestellt. Hier wurden sie registriert und ihr Gepäck durchsucht. Für die „Aussiedlung in den Osten“ waren fünfzig Kilogramm Gepäck und fünfzig Reichsmark pro Person erlaubt. Das gesamte noch vorhandene Hab und Gut wurde – soweit nicht schon geschehen – staatlich konfisziert. Einige für die Lichtensteins wichtige Dinge – Stoffe, Bücher, Nähmaschine und Porzellan – verwahrten Nachbarn vierzig Jahre lang, bis sie diese der überlebenden Tochter Ilse Meyer übergeben konnten. Die Lichtensteins wurden am Morgen des 1. Juni 1942 mit insgesamt 508 jüdischen Kindern, Frauen und Männern aus dem GeStaPo-Bezirk Kassel von der „Sammelstelle“ in der Schillerstraße zum nahen Hauptbahnhof geführt, wo der Sonderzug „Da 57“ bereitstand. Die Streckenführung von „Da 57“ verlief von Hanau u.a. über Kassel und Halle nach Sobibor. Mit diesem Deportationszug wurden etwa 1.000 Juden und Jüdinnen aus über siebzig verschiedenen Orten v.a. aus Hessen und Sachsen-Anhalt in den Osten verschleppt. Der Zielbahnhof des Transportes war Izbica. Izbica war ein jüdisches Sztetl im „Distrikt Lublin“, mit etwa 7.000 Einwohner*innen, davon 80 Prozent jüdischen Glaubens. Izbica war für insgesamt 27.000 Jüdinnen und Juden eines von über zwanzig „Durchgangsghettos“ im „Distrikt Lublin“ im Generalgouvernement. Hier wurden die verschleppten Menschen für die geplante Ermordung konzentriert und in neue Transporte zusammengefasst, damit einhergehend wurden hier die Todgeweihten ihrer letzten kläglichen Habe beraubt. In Izbica kamen etwa 7.500 Jüdinnen und Juden aus dem Deutschen Reich an, etwa 20.000 kamen aus Österreich, Tschechien, der Slowakei und Luxemburg. Allerdings war das erste Ziel des Sonderzugs „Da 57“ nicht wie angegeben Izbica, sondern das Anschlussgleis zum Zwangsarbeitslager „Alter Flughafen“ in Lublin. Dort wurden aus dem Transport etwa 115 junge, starke Männer zur Zwangsarbeit für das Todes- und Konzentrationslager Majdanek ausgewählt und hier wurden die Gepäckwagen mit dem schweren Gepäck abgekoppelt. Dieser Zug fuhr anschließend direkt nach Sobibor weiter, wo er am 3. Juni 1942 ankam; ab Juni 1942 fuhr kein Deportationszug mehr zu einem Transitghetto. Die Familie Lichtenstein wurde unmittelbar nach ihrer Ankunft in Sobibor ermordet. In Volkmarsen erinnert seit den1990er Jahren ein Straßenname an die mit zwölf Jahren in Sobibor ermordete Inge Lichtenstein. Brief von Ilse Lichtenstein an ihren Bruder Arthur. Bergen, den 10.1.1939 Meine Lieben! Heute will ich euch ein paar Zeilen senden. Wir sind hier in Bergen in einem Kinderheim. Am Mittwoch, dem 4. sind wir hierhergekommen. Es gefällt uns sehr gut. 91 Kinder sind wir hier. Jungens und Mädels. Wir haben es gut hier. Stehen morgens um 7 Uhr auf und gehen abends um 8 Uhr zu Bett. Jeden Morgen und auch oft nachmittags gehen wir spazieren. Jetzt haben wir Wolle bekommen für Pullover zu stricken. Jeden Abend werden wir gebadet. Jetzt will ich euch in bisschen von Deutschland erzählen. Aber nicht viel. Wie ihr ja wisst, sind alle Männer im KZ gewesen. Der liebe Papa und Friedel* waren auch da. Papa war 4 Wochen und Friedel 5 Wochen dort. Natürlich kamen sie mit kahlgeschorenen Köpfen zurück. Auch dort haben sie es nicht besonders gehabt. 3 Tage nichts zu essen und überhaupt kein Wasser. Viele Leute sind meschugge geworden. Auch Lehrer Stern aus Frankenberg. Er ist in die Latrine gesprungen. Onkel Isaak ist einen Tag zurückgekommen und dann gleich irr gewesen. Er hatte Eiter in Mund und Nase und konnte gar nicht sprechen. Hugo Wertheim hatte Blutvergiftung und ist verbrannt worden. Die Urne ist zurückgekommen. Auch der Vater von Walter Steinmann ist 3 Tage zu Hause gewesen, hat Lungenentzündung bekommen und ist gestorben. Ach, so manches könnte ich Euch schreiben. Jeden Tag hat man nur andere Todesanzeigen gelesen. Ihr könnt euch ja gar nicht denken, was wir alles mitgemacht haben. An die Demolierung zu Hause darf ich gar nicht denken. Du. Lieber Arthur, würdest die Zimmer kaum wiedererkennen. In Friedels Zimmer ist nichts mehr ganz. Schränke, Betten, Kommode, Stühle und alles was im Zimmer war, sind kaputt. Die langen Matratzen haben auf der Straße gelegen. Auch die Federbetten und Friedels ganze Wäsche. Die Schränke haben auch umgelegen. Keine Tasse und kein Teller waren ganz. Gelee und Eier sind zusammengelaufen. 3 große Fässer Scherben haben wir gehabt. Nur in meinem Zimmer ist der Spiegel noch ganz. Die Wäsche aus den Schränken musste alle gewaschen werden, denn sie war schmutzig und nass. Acht Tage vorher, Ihr werdet es noch wissen, hatten wir Würste gemacht. Von 30 Stück sind noch 5 übriggeblieben. Im Wohnzimmer hat es bunt ausgesehen. Kein Bild, kein Teller und keine Tasse waren mehr ganz. Die Schabbeslampe ist auch kaputt. Der Teppich war mit Mehl, Himbeersaft und Erdbeeren verziert. Daß keine Scheibe im Haus mehr heil war, könnt ihr euch ja denken. Dieses war der Donnerstagabend und des Morgens ist der liebe Papa geholt worden. In der Nacht waren die Lieben noch alle zusammen und am anderen Morgen ist Papa nach Buchenwald gekommen. Was alles gestohlen ist kann ich gar nicht sagen. Friedels 2 Anzüge und Mantel, Papas schwarzer Anzug, meine ganze Wäsche und Kleider. Vom Lager sind 18 Anzüge, 6 gestreifte Hosen, Winterulster und viele Futtersachen. Und dann noch das schönste, 1600 Reichsmark Vermögensabgabe als Buße. Ist das nicht allerhand? Wenn der liebe Papa jetzt arbeiten dürfte, könnte er sich 5 Gesellen halten. Wenn nur das Konsulat schneller arbeiten würde, daß wir fort könnten, denn die ganze Ungewissheit ist entsetzlich. Seht bitte mal zu, ob Ihr nicht etwas machen könnt, denn die lieben Eltern können unmöglich länger in Deutschland bleiben. Denn käme noch einmal eine Trennung, so wäre es sehr schlimm. Auch sorgt bitte dafür, dass wir bald weiter können, denn wir wollen den Leuten hier nicht zur Last fallen. Schreibt bitte mal an das Hilfskomitee in Amsterdam oder in New York, ob nichts zu machen ist. … Ich glaube Euch nun genug geschrieben zu haben, antwortet bald und seid herzlich gegrüßt von Eurer Ilse. *Friedel ist Siefried Meyer, Schneidergeselle; er lebte und arbeitete im Haus der Lichtensteins Quelle: Ernst Klein, Verschwundene Nachbarn – verdrängte Geschichte, 2012, S. 109 f. Verwendete Dokumente und Literatur Website des Archivs ITS Arolsen Website Gedenkbuch des Bundesarchivs Website Joods Monument Website Statistik des Holocaust Website Alemannia Judaica Hänschen, Steffen, Das Transitghetto Izbica im System des Holocaust, 2018 Gottwald, Alfred/ Schulle, Diane, Die „Judendeportationen“ aus dem Deutschen Reich 1941-1945, 2005 Kingreen, Monika u.a., Hanauer Juden 1933-1945, Entrechtung, Verfolgung, Deportation, 1998 Klein, Ernst, Verschwundene Nachbarn – verdrängte Geschichte, 2012 Lilienthal, Marion u.a. (Hg.), Auf Omas Geburtstag fahren wir nach P., Die gewaltsame Verschleppung von Juden aus Waldeck-Frankenberg 1941/1942, Riga, Sobibor/Majdanek, Theresienstadt, 2013 Magistrat der Stadt Kassel – Stadtarchiv, Hg., Namen und Schicksale der Juden Kassels 1933 – 1945,ein Gedenkbuch, 1986 Ernst Klein in: Waldecksche Landeszeitung vom 16.8.2012 (Verhaftung durch Nachbarn) Interviews: Interview mit Ilse Meyer, geb. Lichtenstein; USC Shoah Foundation, 29.4.1996 in Louisville, Kentucky, USA Interview mit Meinhardt Meyer; USC Shoah Foundation, 29.4.1996 in Louisville, Kentucky, USA
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< zurück vorherige Moritz Hamberg geboren am 15. Juli 1885 in Breuna, Hessen, Deutschland ermordet am 3. Juni 1942 in der deutschen Mordstätte Sobibor Familie Ehefrau: Betty Hamberg, geborene Pulver geboren am 11. September 1898 in Westheim, Bayern, Deutschland ermordet am 3. Juni 1942 in der Mordstätte Sobibor Tochter: Susanne `Susi´ Hamberg geboren am 11. August 1929 in Breuna, Hessen, Deutschland ermordet am 3. Juni 1942 in der Mordstätte Sobibor Tochter: Irmgard `Irma´Hamberg geboren am 5. Juni 1923 in Breuna, Kreis Kassel ausgewandert 1940 in die USA gestorben am 19. Januar 2006 in den USA Lebensdaten 1885 Geburt in Breuna ca 1914 Teilnahme am 1. Weltkrieg I 1922 Heirat mit Betty Hamberg, geb. Pulver aus Westheim 1923 Geburt der Tochter Irmgard 1929 Geburt der Tochter Susanne 1938 Verhaftung & Verschleppung ins Konzentrationslager Buchenwald ca 1939 Enteignung und Verlust ihres Geschäftes 1939 Einquartierung bei ihren jüdischen Nachbarn 1939 Zwangsarbeit beim Autobahnbau 1940 Schulbesuch ihrer Tochter in Kassel 1940 Flucht von Tochter Irmgard in die USA 1942 Verschleppung und Ermordung in Sobibor nächste Das Kaufhaus der Familie Hamberg in Breuna Die Töchter von Moritz Hamberg Susi Hamberg – vorne rechts Irmgard Hamberg – hinten links Porträt der Tochter Susi Biografie Die Familie Hamberg lebte seit Beginn des 19. Jahrhunderts im nordhessischen Breuna. Von 1876 bis 1938 gab es eine kleine Synagoge am Ort. 1933 hatte Breuna noch 13 jüdische Einwohner. Der Vorsitzende der Jüdischen Gemeinde war 50 Jahre lang bis zu seinem Tod 1934 Baruch Hamberg, der Vater von Moritz Hamberg. Moritz Hamberg gehörte der siebten Generation seiner Familie an, er hatte zehn Geschwister. Moritz lernte Betty Pulver aus Westheim kennen und beide heirateten 1922, zusammen mit ihr und den beiden Töchtern wohnten sie in Breuna im Kirchweg 6, sie betrieben eine kleine Landwirtschaft und einen Laden. Der ledige Bruder Hermann Hamberg wohnte ebenfalls bei ihnen im Haus. Die älteste Tochter Irmgard, einzige Überlebende der Familie, beschrieb anschaulich in einer Aussage die erfahrene Ausgrenzung und Entrechtung. Schikane und Verfolgung in Breuna Anlässlich der Reichspogromnacht wurde Moritz Hamberg und seine Familie festgenommen, sie mussten eine Nacht im Gefängnis in Volkmarsen verbringen. Frau und Kinder wurden am nächsten Tag entlassen, er wurde ins Konzentrationslager Buchenwald verschleppt und erhielt dort die Häftlingsnummer 25784. Aus Buchenwald kehrte er nach einigen Wochen gealtert, ergraut und verstummt in sein Dorf zurück; als aktiver Teilnehmer am I. Weltkrieg war er vorzeitig entlassen worden. In den folgenden Jahren verlor die Familie ihren Laden, das Haus und ihre Grundstücke wurden enteignet. Sie mussten zu ihren jüdischen Nachbarn ziehen. Moritz Hamberg wurde in Kassel zur Zwangsarbeit im Straßenbau eingesetzt. Die jüngere Tochter Susanne wohnte bereits ab 27.10.1940 in einem „Judenhaus“ in der Kasseler Großen Rosenstraße 22, vermutlich um weiter die Schule besuchen zu können. Die ältere Tochter Irmgard konnte der fortschreitenden antisemitischen Verfolgung rechtzeitig entkommen: Amerikanische Verwandte mütterlicherseits hatten ihr die notwendige Bürgschaft ausgestellt, Voraussetzung für ein Visum für die Vereinigten Staaten, wohin sie im August 1940 floh. Raub und Deportation nach Sobibor Für die zweite von den drei großen zentral organisierten Deportationen aus dem Regierungsbezirk Kassel stehen sechs Personen aus Breuna auf einer nach dem Krieg erstellten Deportationsliste. Die Familie Moritz Hamberg, Vater, Mutter und Tochter Susanne, und der jüngere Bruder des Vaters wurden am 31. Mai 1942 in die „Sammelstelle“, die Turnhalle der Wörth-Schule in der Kasseler Schillerstraße, bestellt. Hier wurden sie registriert und ihr Gepäck durchsucht. Für die „Aussiedlung in den Osten“ waren fünfzig Kilogramm Gepäck und fünfzig Reichsmark pro Person erlaubt. Das gesamte vorhandene Hab und Gut der Familie wurde staatlich konfisziert. Die Familie Moritz Hamberg wurde am Morgen des 1. Juni 1942 mit insgesamt 508 jüdischen Kindern, Frauen und Männern aus dem GeStaPo-Bezirk Kassel von der „Sammelstelle“ in der Schillerstraße zum nahen Hauptbahnhof geführt, wo der Sonderzug „Da 57“ bereitstand. Die Streckenführung von „Da 57“ verlief von Hanau u.a. über Kassel und Halle nach Sobibor. Mit diesem Deportationszug wurden etwa 1000 Juden und Jüdinnen aus über 70 verschiedenen Orten v.a. in Hessen und Sachsen-Anhalt in den Osten verschleppt. Der Zielbahnhof des Transportes war Izbica. Izbica war ein jüdisches Schtetl im „Distrikt Lublin“, mit etwa 7.000 Einwohner*innen, davon 80 Prozent jüdischen Glaubens. Izbica war für insgesamt 27.000 Jüd*innen eines von über zwanzig „Durchgangsghettos“ im Distrikt Lublin im Generalgouvernement. Hier wurden die verschleppten Jüd*innen für die geplante Ermordung konzentriert und in neuen Transporten zusammengefasst, damit einhergehend wurden hier die Todgeweihten ihrer letzten kläglichen Habe beraubt. In Izbica kamen etwa 7.500 Menschen Jüd*innen aus dem Deutschen Reich an, etwa 20.000 kamen aus Österreich, Tschechien, der Slowakei und Luxemburg. Allerdings war das erste Ziel des Sonderzuges “Da 57“ nicht wie angegeben Izbica, sondern das Anschlussgleis zum Zwangsarbeitslager „Alter Flugplatz“ in Lublin. Dort wurden aus dem Transport etwa 115 junge, starke Männer zur Zwangsarbeit für das Todes- und Konzentrationslager Majdanek ausgewählt und hier wurden die Gepäckwagen mit dem schweren Gepäck abgekoppelt. Dieser Zug fuhr anschließend direkt nach Sobibor weiter, wo er am 3. Juni 1942 ankam; ab Juni 1942 fuhr kein Deportationszug mehr zu einem Transitghetto. Die verschleppten Mitglieder der Familie Hamberg aus Breuna wurden unmittelbar nach ihrer Ankunft in Sobibor ermordet. Irmgard Hambergs Erinnerungen an ihre Kindheit in Breuna „Mein Name ist Irma Meyer. Ich bin 1923 in Breuna, im Bezirk Kassel, geboren, die Tochter von Moritz und Betty Hamberg und Enkelin von Baruch Hamberg. Ich hatte eine Schwester, Susanne, die 1929 geboren war. Meine Familie hat viele Generationen in Breuna gelebt. Unser Familienname ist nach dem Berg “Hamberg” benannt worden, als es den Juden am Anfang des 19. Jahrhunderts erlaubt wurde, Nachnamen anzunehmen. Bis zur Hitler Zeit hatten wir ein gutes Verhältnis mit unseren Mitbürgern. Wir hatten etwas Landwirtschaft und ein kleines, aber gutgehendes Geschäft, welches vielen Kunden in der Umgebung bedient hat. Als Hitler zur Macht kam haben diese Leute, die uns freundlich gesonnen waren, sich plötzlich gegen uns gewandt und uns als Feinde angesehen. Die Maßnahmen gegen die Juden wurden stetig härter. Zum Beispiel: Wir durften nicht nach acht Uhr abends auf der Straße sein, oder mussten eine besondere Erlaubnis haben, etwas Wichtiges zu erledigen. Wir konnten nur zweimal die Woche unsere Lebensmittel einkaufen und dann nur morgens vor acht Uhr, damit wir nicht mit “Ariern” in Kontakt kämen. Keiner durfte uns in irgendeiner Weise behilflich sein. Für mich persönlich wurden die Schuljahre unerträglich. Ich war zu dieser Zeit das einzige jüdische Kind in der Schule, und musste alleine in einer Ecke sitzen, getrennt von den anderen Kindern. Während der “Religionsstunde” war ich entschuldigt, aber es wurde keine Religion gelehrt, sondern Hass gegen die Juden verbreitet. Bilder aus dem “Stürmer” wurden gezeigt. Die Kinder waren so aufgehetzt, dass jedes Mal, wenn ich zur Klasse zurückkehrte, sie mich angespuckt und auch oft meine Kleider zerrissen haben. Zur Mittagsstunde wurde mir das Butterbrot aus der Hand geschlagen. Täglich musste ich mir diese hasserfüllten Worte anhören, und meine Eltern wussten nie, in welcher Verfassung ich nach Hause kam. Dann kam der 9. November 1938: Wir hörten Gerüchte, dass etwas Schlimmes passieren würde. Aber wir hatten keine Ahnung, was zu erwarten war. Früh am Morgen wurden mein Vater und Viktor Braunsberg von der Polizei abgeholt, die uns keine Auskunft gab, wo sie ihn hinführten. Ab und zu während des Tages hat man Steine gegen unser Haus geworfen. Wir fragten die einzige andere jüdische Familie in Breuna, Emmy Braunsberg, mit ihren alten Schwiegereltern, zu uns zu kommen, um aneinander Trost zu finden. Um uns zu beschützen, haben wir oben in einem Zimmer nach hinten gesessen, und einen Schrank vor das Fenster gestellt, damit wir nicht von den Steinen getroffen wurden. Eine Menschenmenge hatte sich draußen angesammelt. Wir hörten die Fensterscheiben fallen. Wir hatten große Angst und wussten kaum, was zunächst geschehen würde. Dann, mit einem furchtbaren Krach, kam die Nazihorde durch die Türe, mit Beilen, Latten und Stöcken bewaffnet, und haben alles in ihrem Weg zerbrochen. Wir wurden aus dem Haus kommandiert, auf einen Lastwagen geladen, wo wir zusehen mussten, wie unser Haus zerstört wurde. Zur selben Zeit sahen wir unsere Synagoge in Flammen aufgehen. Diesen Anblick werde ich nie vergessen! Wir wurden dann nach Volkmarsen zum Polizeiamt gefahren und in sogenannte Schutzhaft genommen, wo wir einige Tage in einer Zelle verbrachten. Es war besonders schwer für das alte Ehepaar, Mathias und Helene Braunsberg, die damals fast 80 Jahre alt waren. Wir wurden dann entlassen und durften wieder nachhause gehen. Was wir vorfanden, war unbeschreiblich. Alles war vernichtet. Noch nicht mal eine Tasse oder ein Glas war da zum Trinken. Die Bettkissen waren aufgerissen und Federn waren überall. Alle Möbel waren zerhackt. Es dauerte Tage, bis wir die Trümmer aufgeräumt hatten. Während dieser ganzen Zeit wussten wir nicht, wo mein Vater war. Dann hörten wir, dass er in Buchenwald wäre, und freigesetzt würde, wenn er beweisen könnte, dass er im Ersten Weltkrieg ausgezeichnet wurde. Wir schickten ihm die Beweise, und nach ungefähr vier Wochen kam mein Vater zurück, ein alter, gebrochener Mann. Ich konnte ihn kaum wiedererkennen. Er hatte sehr in Buchenwald gelitten, konnte aber nicht darüber sprechen. Als der Zweite Weltkrieg ausbrach, mussten wir unser Haus verlassen und bei den Braunsbergs einziehen. Das Haus wurde uns einfach weggenommen und Leuten gegeben, die von der französischen Grenze zurückziehen mussten. In der Zwischenzeit hatten wir unser Geschäft verloren. Mein Vater und Viktor Braunsberg wurden zur Straßenarbeit in Kassel gezwungen. Das Leben wurde täglich schwerer für uns. Wir hatten dann nur den einzigen Wunsch, das Land zu verlassen, und haben uns sehr bemüht, nach den Vereinigten Staaten auszuwandern. Ich war die erste in meiner Familie, die Bürgschaft bekam. Meine Wartenummer beim Amerikanischen Konsulat war viel niedriger als die meiner Eltern und Schwester. Es ist mir gelungen, im August 1940 wegzukommen. Da durch den Krieg die Reise über den Atlantik gesperrt war, musste ich den viel weiteren Weg nach Osten wählen, und zwar durch Litauen, Russland, Sibirien, Mandschurei und Japan, dann über den Stillen Ozean nach Seattle, USA. Die Reise dauerte ungefähr vier Wochen, bis ich in New York ankam.“ Quelle: Lebenserinnerungen Irmgard Meyer, geborene Hamberg, 1988 in: Ernst Klein, Verschwundene Nachbarn – verdrängte Geschichte, 2012 Verwendete Dokumente und Literatur Website des Archivs ITS Arolsen Website Gedenkbuch des Bundesarchivs Website Statistik des Holocaust Website Alemmannia Judaica Breuna Hänschen, Steffen, Das Transitghetto Izbica im System des Holocaust, 2018 Gottwald, Alfred/ Schulle, Diane, Die „Judendeportationen“ aus dem Deutschen Reich 1941-1945, 2005 Kingreen, Monika u.a., Hanauer Juden 1933-1945, Entrechtung, Verfolgung, Deportation, 1998 Klein, Ernst, Verschwundene Nachbarn – verdrängte Geschichte, 2012 Lilienthal, Marion u.a. (Hg.), Auf Omas Geburtstag fahren wir nach P., Die gewaltsame Verschleppung von Juden aus Waldeck-Frankenberg 1941/1942, Riga, Sobibor/Majdanek, Theresienstadt, 2013 Magistrat der Stadt Kassel – Stadtarchiv, Hg., Namen und Schicksale der Juden Kassels 1933 – 1945 Lebenserinnerungen Irmgard Meyer, geborene Hamberg, 1988 Kleinert, Beate und Prinz, Wolfgang Prinz, Ein Gedenkbuch, 1982 Die Familie Hamberg aus Breuna, jimh.lima-city.de Interview: Interview mit Irma Meyer, geb. Hamberg, USC Shoah Foundation; 21.5.1997, Pennsylvania, USA - online verfügbar











