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Ralf Michael Lieberg

geboren am 16. Juni 1933 in Kassel, Hessen, Deutschland
ermordet am 3. Juni 1942 im deutschen Mordlager Sobibor

Familie

Mutter: Hertha Lieberg geboren am 26. Oktober 1898 in Berlin, Deutschland ermordet am 3. Juni 1942 in der deutschen Mordstätte Sobibor Vater: Wilhelm Lieberg geboren am 19. Dezember 1893 in Kassel, Hessen, Deutschland umgekommen am 8. September 1942 im Konzentrations- und Todeslager Majdanek Schwester: Marion Lieberg geboren am 16. Februar 1924 in Kassel, Hessen, Deutschland ausgewandert im Mai 1939 nach Groß England gestorben am 19. Juni 1996 in den USA Bruder: Wolfgang Lieberg geboren am 5. Juni 1927 in Kassel, Hessen, Deutschland gestorben am 5. Juni 1929 in Kassel, Hessen, Deutschland

Lebensdaten

1933 Geburt in Kassel 1938 Inhaftierung seines Vaters im Konzentrationslager Buchenwald 1938 Flucht seiner beiden Tanten in die Schweiz bzw. nach Palästina 1938 Schulverbot für die Schwester Marion 1939 Schwester Marion geht mit einem Kindertransport nach England 1939 Einschulung 1940 Zwangsarbeit seines Vaters in seinem eigenen ehemaligen Betrieb 1942 Deportation gemeinsam mit seinen Eltern 1942 Inhaftierung und Tod des Vaters im KZ- und Mordlager Majdanek 1942 Ermordung, gemeinsam mit seiner Mutter in Sobibor
Porträtfoto
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Ralf Lieberg, 1935


Porträtfoto

Ralf mit seiner Schwester Marion, 1934


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Ralf mit seinem Vater Wilhelm, 1940


Porträtfoto

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Biografie

Ralf Lieberg war das jüngste der drei Kinder von Hertha und Wilhelm Lieberg. Seine ältere Schwester Marion wurde 1924 geboren, der Bruder Wolfgang 1927, der zweijährig verstarb. Am 28. Juni 1922 hatten seine Eltern geheiratet. Seine Mutter stammte aus Berlin. Sie heiratete in die gutbürgerliche und weit verzweigte Unternehmerfamilie Lieberg aus Kassel ein. Das Paar lebte bis 1926 in ihrem Haus in der heutigen Friedrich-Ebert-Straße 78. 1926 zog die Familie in die Lessingstraße 18 um.


Der Familienbetrieb Lieberg war in der Metallverarbeitung tätig und hatte seinen Firmensitz im Messinghof im Industriegebiet Bettenhausen. Ralf Liebergs Vater Wilhelm übernahm nach dem Tod seines Vaters 1927 den Messinghof, Mitgesellschafterinnen waren seine beiden Tanten Erna und Margarethe. Kurt Kaufmann, ein schweizerischer Verwandter war ebenfalls Gesellschafter und auch Geschäftsführer der Firma.




Verfolgung, Raub, Vertreibung

Die Familie Lieberg, ihre Unternehmen und ihr Besitz erfuhren von Anfang an eine besondere Aufmerksamkeit durch die Nationalsozialisten. Schon am 26. August 1933 war ein Neffe seines Vaters wegen „Kontakten zu deutschen Frauen“ von einer aufgebrachten Menschenmenge durch Kassels Straßen geführt worden. Der Vorbesitzer des Betriebs und Großonkel von Ralf hatte eine wertvolle Kunstsammlung zusammengetragen, die mit dem übrigen Vermögen des Unternehmers bereits im Jahr 1939 einer staatlichen Sicherungsanordnung unterlag und später versteigert wurde. Im Zuge des Novemberpogroms 1938 wurde sein Vater Wilhelm Lieberg verhaftet und in das Konzentrationslager Buchenwald verschleppt und für mehrere Wochen festgehalten. Während seiner Haftzeit wurde der Messinghof „arisiert“ und weit unter Wert verkauft. Sein Vater musste 1938 zudem eine beträchtliche „Judenvermögensabgabe“ von annähernd 50.000 Reichsmark leisten. Seine beiden Tanten wanderten 1938 in die Schweiz und nach Israel aus. Der Geschäftsführer des Betriebes war bereits 1933 zurück in die Schweiz gegangen und leitete den Betrieb von dort aus.


Seine Schwester Marion konnte in Kassel ihren Schulabschluss nicht mehr machen. Seinen Eltern gelang es, für die Fünfzehnjährige einen Platz in einem der Kindertransporte nach Großbritannien zu bekommen. So konnte sie im Mai 1939 in das rettende Ausland flüchten. 1946 heiratete sie einen US-Bürger und emigrierte in die USA.


Sein Vater arbeitete ab Beginn des 2. Weltkrieges als einfacher Arbeiter gegen geringes Entgelt in seiner ehemaligen eigenen Firma.




Deportation nach Majdanek und Sobibor

Zum 31.5.1942 wurden sein Vater Wilhelm Lieberg, seine Mutter Hertha und er selbst, er war neun Jahre alt, in die `Sammelstelle´ in der Turnhalle der Wörth-Schule zur „Aussiedlung in den Osten“ in der Kasseler Schillerstraße bestellt. Hier wurden sie registriert und ihr Gepäck durchsucht. Es waren fünfzig Kilogramm Gepäck und fünfzig Reichsmark pro Person erlaubt.

Die Familie Lieberg wurde am Morgen des 1. Juni 1942 mit insgesamt 508 jüdischen Kindern, Frauen und Männern aus dem GeStaPo-Bezirk Kassel von der „Sammelstelle“ in der Schillerstraße zum nahen Hauptbahnhof geführt, wo der Sonderzug „Da 57“ bereitstand. Die Streckenführung von „Da 57“ verlief von Hanau u.a. über Kassel und Halle nach Sobibor. Mit diesem Deportationszug wurden etwa 1.000 Juden und Jüdinnen aus über siebzig verschiedenen Orten v.a. aus Hessen und Sachsen-Anhalt in den Osten verschleppt.


Der Zielbahnhof des Transportes war Izbica. Izbica war ein jüdisches Sztetl im „Distrikt Lublin“, mit etwa 7.000 Einwohnern, davon 80 Prozent jüdischen Glaubens. Izbica war für insgesamt 27.000 Jüdinnen und Juden eines von über zwanzig „Durchgangsghettos“ im „Distrikt Lublin“ im Generalgouvernement.

Allerdings war das erste Ziel des Sonderzugs „Da 57“ nicht wie angegeben Izbica, sondern tatsächlich das Anschlussgleis zum Zwangsarbeitslager „Alter Flughafen“ in Lublin. Dort wurden aus dem Transport etwa 115 junge, starke Männer zur Zwangsarbeit für das Todes- und Konzentrationslager Majdanek ausgewählt. Unter diesen Männern befand sich auch sein Vater Wilhelm Lieberg. Unter der Häftlingsnummer 10177 wurde dessen Tod am 8. September 1942 im Todes- und Konzentrationslager Majdanek registriert.


Ralf Lieberg und seine Mutter fuhren im Sonderzug „Da 57“ vom Anschlußgleis „Alter Flughafen“ direkt nach Sobibor weiter. „Da 57“ kam am 3. Juni 1942 in Sobibor an. Der erst achtjährige Ralf Lieberg und seine Mutter Bertha wurden unmittelbar nach ihrer Ankunft in Sobibor ermordet.




Verwendete Dokumente und Literatur

Website des Archivs ITS Arolsen

Website Gedenkbuch des Bundesarchivs

Website Statistik des Holocaust

Website Stolpersteine Kassel 

Gottwald, Alfred/ Schulle, Diane, Die „Judendeportationen“ aus dem Deutschen Reich 1941-1945, 2005

Hänschen, Steffen, Das Transitghetto Izbica im System des Holocaust, 2018

Kammler, Jörg u.a., Hg., Volksgemeinschaft und Volksfeinde, Kassel 1933-1945, Bd. I und II, 1984 und 1987

Kingreen, Monika u.a., Hanauer Juden 1933-1945, Entrechtung, Verfolgung, Deportation, 1998

Klein, Ernst, Verschwundene Nachbarn – verdrängte Geschichte, 2012

Kleinert, Beate und Prinz, Wolfgang, Namen und  Schicksale der Juden Kassels 1933 – 1945, Ein Gedenkbuch, Hg. Magistrat  der Stadt Kassel-Stadtarchiv, 1986

Lilienthal, Marion u.a. Hg., Auf Omas Geburtstag  fahren wir nach P., Die gewaltsame Verschleppung von Juden aus  Waldeck-Frankenberg 1941/1942, Riga, Sobibor/Majdanek, Theresienstadt,  2013

Matthäus, Wolfgang, Kaiserstraße 13. Geschichten vom jüdischen Leben im Vorderen Westen, in Kassel und Region, 2014

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