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Das Mordlager
Sobibor

Lagebereiche
Die Täter
Ermordung der Jüd*innen
Die jüdischen Gefangenen
Transporte
Öffentlichkeit und Bereicherung

Geschichte der Mordstätte Sobibor

Sobibór ist ein kleines Dorf in Ostpolen. Es liegt nicht weit vom Bug entfernt, dem Grenzfluss zwischen Polen, der Ukraine und Weißrussland. Die Bahnstation Sobibór liegt etwa acht Kilometer vom Dorf Sobibór entfernt an der Bahnlinie zwischen Chełm und Włodawa. Bis 1942 befand sich in diesem abgelegenen, waldreichen und sumpfigen Gebiet eine kleine Wohnsiedlung für Beschäftigte der polnischen Eisenbahngesellschaft und der Forstverwaltung.

Aufbau des Mordlagers

Im Spätherbst 1941 beobachteten polnische Eisenbahner wiederholt, dass sich die deutschen Besatzer für das Gebiet interessierten. Sie untersuchten das Gelände und nahmen Vermessungen vor. Tatsächlich begannen dann im Februar 1942 auf dem Gelände gegenüber dem Bahnhof Sobibór Bauarbeiten. Sie dienten der Errichtung des zweiten Mordlagers der „Aktion Reinhardt“. Das erste Mordlager existierte bereits: Ab Mitte März 1942 wurden im 160 Kilometer entfernten Bełżec Jüdinnen und Juden in Gaskammern ermordet. Nach Belzec und Sobibor entstand eine dritte Mordstätte der „Aktion Reinhardt“. Diese lag in Treblinka. Das Morden begann dort, ebenfalls mit Gas, wenige Monate später im Juli 1942. In diesen drei Mordlagern der Aktion Reinhardt wurden insgesamt mindestens 1,5 Millionen Jüdinnen und Juden getötet. Die ersten Bauarbeiten zur Errichtung der Mordstätte Sobibor beaufsichtigte Richard Thomalla, Leiter der SS-Zentralbauleitung in Zamość. Die deutsche Zivilverwaltung des Kreises Cholm (deutsche Bezeichnung für die polnische Stadt Chełm) stellte das Material zur Verfügung: Pfähle, Barackenteile, Ziegel und Stacheldraht. Weitere Baustoffe wurden durch den Abriss jüdischer Wohnhäuser beschafft. Bei den Aufbauarbeiten wurden Juden eingesetzt, die man aus den Ghettos und Zwangsarbeitslagern der Umgebung heranzog. Die Bauern der Umgebung wurden beauftragt, mit ihren Fuhrwerken das Baumaterial ins spätere Lager zu transportieren. Einige wenige Gebäude nahe der Bahnstation wurden ins Lager integriert. Ein als Postamt dienendes Haus wurde zur Unterkunft für die deutschen Täter genutzt, ein Forsthaus als Verwaltungsgebäude. Auf dem Gelände der Mordstätte befand sich zudem eine katholische Holzkapelle, die zuvor von den Anwohnerinnen und Anwohnern der Umgebung genutzt wurde.

Plan des Lagers Sobibor (Stand Sommer 1943)

Lager III

1 Gebäude mit den Gaskammern
2 Wohnbaracke jüd. Sonderkommando Lager III
3 Küche Lager III
4 Leichenverbrennung
5 Bereich der Massengräber

Lager III

Weitere Bauten
S 1 Bahnhofsgebäude
S 2 Wachtürme
S 3 Kapelle aus der Vorkriegszeit (Erschießungsstelle)

weitere Bauten

Vorlager
1 Wache
2 Z
ahnarzt/Arrestzelle Trawniki
3 Neu
es Kasino
4 Garage/Friseur der Lager-SS
5 Waschraum der Lager-SS
6 Wäscherei
7 Altes Kasino
8 'Schwalbennest', diente als Unterkunft
9 Magazin und Bügelstube der Lager-SS
10 Unterkunft Trawniki
11 Altes Posthaus (existiert noch)
12 Munitionslager
13 – 15 Unterkunft Trawniki
16 Kasino Trawniki
17 Unterkunft für Zugführer Trawniki

Vorlager

Lager II

1 Ehemaliges Forsthaus
2, 3 Lebensmittelmagazine
4 Schweinestall
5 Pferdestall
6 Scheune
7 Wirtschaftsgebäude
8 Schuhmagazin
9 Feuermeldeturm
10 – 15 Sortierbaracken
16 Abgabe Handgepäck
17 Haarschneidebaracke
18 Wachturm
19 Auskleideplatz
20 „Schalter“ am Eingang zum „Schlauch“

Lager II

Lager I

1 evtl. Werkstatt oder Toiletten
2 – 4 Werkstätten
5 Bäckerei
6 Schusterei Trawniki
7 Werkstatt
8 Baracke Frauen
9 Küche Lager I
10, 11 Baracken Männer
12 Malerwerkstatt

Lager I


Die Ermordung der Jüdinnen und Juden
 

Die Mordaktionen in Sobibor begannen ab Anfang Mai 1942. Die Züge mit den in den Güterwaggons eingepferchten Jüdinnen und Juden beendeten ihre Fahrt auf dem öffentlichen Bahnhof Sobibór. Die Waggons wurden auf ein Nebengleis rangiert und abgestellt. Da die Bahnrampe an der Mordstätte zu kurz war, mussten die Züge auf diesem Nebengleis geteilt werden: Es wurden jeweils fünfzehn Waggons abgekoppelt und in das Lager geschoben. Dort wurden die Türen der Waggons geöffnet und die Menschen mit Gewalt und Geschrei auf die Rampe gejagt. Sie sollten keine Möglichkeit haben, sich zu orientieren, ihre Situation zu erfassen, das Geschehen bewusst wahrnehmen und einordnen können. Es wurde künstlich eine gehetzte, aufgeregte Situation geschaffen. Die Familien wurden auseinandergerissen, die Männer von Frauen und Kindern getrennt.

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Oft hielt ein deutscher Täter dann eine beruhigende heimtückische Rede. Nach dem Krieg schilderte der Sobibór-Überlebende Dov Freiberg den Wortlaut einer solchen Rede:

„Da es zurzeit Krieg gibt, müssen alle arbeiten und sie werden alle zu Arbeit gefahren. Es wird ihnen gutgehen. Alte und Kinder werden nicht arbeiten, aber sie werden trotzdem genug zu essen haben. Sie müssen alle auf Reinlichkeit achtgeben und deshalb müssen sie zunächst baden. Die Ausländer pflegten dann mit den Händen zu klatschen. In späterer Zeit, als Transporte von polnischen Juden ankamen, die gewusst haben, dass sie umgebracht werden, haben sie laut geklagt und geschrien. Da hat er gesagt; 'Ruhe, ich weiß, dass ihr schon sterben wollt, aber es wird euch nicht so leicht gemacht, vorher müsst ihr noch arbeiten…' und auf diese Art hat er sie durcheinandergebracht.“

Zuerst wurden die Frauen mit den Kindern von der Bahnrampe zum Auskleideplatz im Lager II eskortiert, wo sie ihre Kleidung und Schuhe ablegen mussten. Danach wurden sie auf dem umzäunten Weg zu den Gaskammern getrieben. In den Gaskammern wurden sie mit den Abgasen eines Dieselmotors erstickt. Jüdische Gefangenen mussten die Körper der Ermordeten aus den Kammern ziehen, ihnen die Goldzähne entfernen und zu riesigen Leichengruben tragen.

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Menschen, die nicht mehr aus eigener Kraft von der Bahnrampe zu den Gaskammern gehen konnten, wurden anfänglich mit Fuhrwerken in die Nähe der auf dem Lager befindlichen Holzkapelle gefahren und dort an einer Grube erschossen. Im Juni 1942 wurde eine Schmalspurbahn gebaut, mit der die nicht mehr gehfähigen Menschen ins Lager III gebracht wurden. Ebenso wurden schwere Gepäckstücke mit dieser Bahn in das Lager II transportiert.

Zwei bis drei Stunden nach Ankunft auf der Rampe war die Mordaktion abgeschlossen., die Jüdinnen und Juden ermordet und in den Leichengruben verscharrt. Währenddessen mussten die jüdischen Gefangenen des „Bahnhofskommandos“ bereits die leeren Waggons reinigen.

Die Öffentlichkeit und deren Bereicherung
 

Das Mordgeschehen in Sobibór war in der Region nicht zu verheimlichen. Unter den jüdischen Ghettobewohner*innen, der polnischen Zivilbevölkerung und den deutschen Besatzern verbreiteten sich schnell Informationen und Gerüchte. Auf der öffentliche Bahnstation Sobibór hielten turnusmäßig vier Mal täglich Personenzüge. Nur wenige Meter von der Station entfernt begann die Umzäunung des Mordlagers. Ein Buffet im Bahnhofsgebäudes wurde auch von den deutschen Tätern und Trawniki besucht. Als ab Herbst 1942 die Körper der Ermordeten auf Scheiterhaufen verbrannt wurden, legte sich ein furchtbarer Gestank über die gesamte Umgebung. Je nach Windrichtung war er noch in der zehn Kilometer entfernten Stadt Włodawa wahrnehmbar.

Der dort lebende Reichsdeutsche Paul Winkler sagte später dazu:

„Dass sich in Sobibór ein Vernichtungslager befand, war mir, wie auch jedem anderen in Wlodawa bekannt. Wenn man von Cholm nach Wlodawa mit der Bahn fuhr, konnte man die Judentransporte, tausende und zehntausende nach Sobibór fahren sehen. Nachts sah man von Wlodawa aus dem Feuerschein von Sobibór, außerdem bemerkte man einen eigenartigen Geruch. Es war bekannt, dass die Juden dort vernichtet wurden."

Der Handel mit den geraubten Wertsachen der Ermordeten bescherte der Region um Sobibór einen plötzlichen Wohlstand. Vor allem die Trawniki tauschten in den umliegenden Orten das Raubgut aus dem Lager gegen Alkohol, Lebensmittel. Sie waren gerne gesehene Gäste. Es entstanden sogar Liebschaften zwischen Anwohnerinnen und Trawniki. Es tauchten Händler auf, um von den Trawniki Gold, Geld und Schmucksachen zu erwerben. Prostituierte boten ihre Dienste an. Auch die deutschen Täter bereicherten sich an den geraubten Gegenständen der ermordeten Jüdinnen und Juden. Stand ein Heimaturlaub bevor, organisierten sie sich Koffer voll mit Wertsachen, Schmuck, Geld, Kleidung und Spielzeug. Sie ließen sich von Gefangenen Gemälde und Zeichnungen als Mitbringsel anfertigen. Inhaftierte Jüdinnen mussten für die Kinder der SS-Männer Kleidung nähen und Puppen anfertigen. Eda Lichtman beschrieb das so:
„Wir haben Pakete vorbereitet, Kleiderpakete, fast für alle Offiziere und unter den Paketen gab es sehr schöne Sachen, auch Puppen für ihre Kinder, die die Kinder mit sich nach Sobibór genommen hatten um danach mit ihren Eltern zusammen in den Tod zu gehen. Sie nahmen alle Puppen, sie sagten uns, alles aus den Lagerhallen heraus zu holen, in Ordnung zu bringen, schöne Kleidung für die Puppen zu nähen, und sie anzuziehen, das war das Einzige, was Ihnen noch gefehlt hatte…. Wir taten natürlich alles was sie sagten, aber zum Schluss hatten wir sehr viel Leid und ein großer Schmerz erfüllte unsere Herzen. Wir sahen aber, dass sie großes Interesse daran hatten, Pakete mit nach Hause zu nehmen. Jeder Deutsche, der zu einem Heimaturlaub gefahren ist, wollte für sich schöne Sachen mitbringen und diese waren bei uns in den Lagerhallen. Wir haben für sie Uniformen der Hitlerjugend genäht und sie waren so sehr glücklich und jeder deutsche Offizier hat sich mit guten Paketen ausgerüstet.“ Bei einigen deutschen Tätern, wie z.B. Hubert Gomerski und Johann Niemann ließ sich nach dem Krieg nachweisen, dass sich auf ihren Sparkonten ungewöhnlich viel Geld angesammelt hatte.

Flucht und Widerstand
Nachkriegsprozesse
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